Kritik, Verriss und Profusion

Rudolf Stichweh: Funktionale Differenzierung der Weltgesellschaft (Juni 2010)

Wenn man von Rudolf Stichweh etwas mehr Erkenntnis über die Funktionsmechanismen der Weltgesellschaft erwartet, dann wartet man wahrscheinlich vergebens. Das auf seiner Website veröffentlichte Paper, das als eigene Positionsbestimmung und als eine Kritik einer Position von Richard Münch (auf die hier nicht näher eingegangen werden soll) gedacht ist, ist wenig hilfreich und lässt wohl eher darauf schließen, dass von Stichweh nichts Entscheidendes zu erwarten ist. Er ist nicht willens oder in der Lage, die Angemessenheit seiner Begriffe zu hinterfragen. Der Text ist nur sieben Seiten lang. Man kann ihn sich hier herunterladen. Es geht darum, dass Stichweh es ablehnt, die segmentäre und die stratifikatorische Differenzierung als Strukturprinzipien anzuerkennen, die in gleicher Weise für die Weltgesellschaft bestimmend sind wie die funktionale Differenzierung. Sie wären allenfalls subsidiäre Differenzierungsformen, “die in ihrem Spielraum weitgehend durch das Primat funktionaler Differenzierung als der unhintergehbaren Differenzierungsform der Weltgesellschaft bestimmt werden”. Als Voraussetzung für die Segmentarität sieht er die enge Bindung zwischen Nationalität und Territorialität an. Eigentlich sei diese erst nach dem 2.Weltkrieg vorhanden. In der langen Zeit davor ließe sich die Situation eher durch den Begriff “Inklusionshierarchie” fassen. Lokale und regionale Herrschaften wären in Imperiumsstrukturen eingebettet gewesen. Obwohl es keine Gründe für einen beschleunigten Niedergang des Nationalstaates gibt, spräche das nicht für die Gleichwertigkeit der segmentären Differenzierung mit der funktionalen Differenzierung, weil sich der Nationalstaat “im Kielwasser” der funktionalen Differenzierung befindet. Der moderne Staat würde sich in seiner Zweitauslegung als Wohlfahrtsstaat vor allem auf die Leistung der Inklusionsvermittlung in andere Funktionssysteme konzentrieren. Diesen Funktionssystemen würde ein großer Pool von Inklusionsadressen gesichert, der ihnen das autonome Operieren erleichtert. Es gibt aber keinen Grund, den Begriff der segmentären Differenzierung in jener speziellen Weise zu fassen. Es würde im Grunde bedeuten, die segmentäre Differenzierung der virtuellen Differenzierung der virtuellen Differenzierung im Speziellen mit der segmentären Differenzierung im Allgemeinen gleichzusetzen. Er besteht aus zwei Bestandteilen, die etwas sehr Allgemeines bezeichnen. Er kann schon angewendet werden auf kontinuierliche (sich fortsetzende) Entwicklungen, in denen Gemeinschaften mit Hilfe der Herausbildung von verantwortlichen Positionen ihre Existenz nach außen aufrechterhalten. Es gibt also nicht nur einen Hordenführer, der durch Statusmacht und mit Hilfe der Struktur herrscht, sondern die Positionen werden schon zweckgebunden eingerichtet. Dann herrscht er nicht mehr durch die Gemeinschaft, sondern die Gemeinschaft durch ihn. Dies ist grob geschätzt schon (oder erst) seit ca. 12000 v. Chr. der Fall. Wenn Stichweh Münch wegen der Betrachtung nicht genügend langer Zeiträume kritisiert, dann kann man das Gleiche mit Stichweh auch tun. Der Begriff der segmentären Differenzierung sagt für sich genommen nicht viel mehr aus. Wenn man die in ihm enthaltenen Innen- und Außen-Aspekte miteinander verbindet, kann man ihn auch einfach mit “Wille” übersetzen. Alles andere ist hinzuinterpretiert/-theoretisiert. Dass an die segmentäre Differenzierung die funktionale Differenzierung (Ding) anschließt, ist ganz anschaulich, denn wenn nur Segmente aneinanderstoßen, werden bestimmte Beziehungen zwischen ihnen entstehen. Dadurch können sich einerseits größere Einheiten bilden, die die Bestandteile einer bisherigen segmentären Ordnung in sich aufnehmen. Dies kann am eindrucksvollsten auf die Formel “die Funktion als das Segment” gebracht werden. Andererseits entstehen durch den Anschluss der funktionalen Differenzierung an die segmentäre Differenzierung viele “Segmente als Funktionen”. Es entstehen z.B. für Berufsgruppen Zünfte und Gilden. An die funktionale Differenzierung schließt notwendigerweise die virtuelle Differenzierung(Ziel) an, denn wenn nur noch Funktionen ineinander übergehen, entsteht ein Fluss, der entweder fließt oder gestaut wird. Zwischen der funktionalen Differenzierung und der virtuellen Differenzierung gibt es den gleichen Anschlusscharakter wie zwischen segmentärer und funktionaler Differenzierung: die Tugend als Aufgabe und die Aufgaben als Tugenden. Ersteres ist z.B. u.a. Thema in Romanen und Letzteres ist u.a. das Romanschreiben selber. Der Übergang von der segmentären Differenzierung zur funktionalen Differenzierung findet statt, wenn es den “Starken” gibt, der Übergang von der funktionalen Differenzierung zur virtuellen Differenzierung, wenn es den “Reichen” gibt. Stärke und Reichtum verändern beim Übergang ihre Bedeutung. Da die Quantität in fass- oder nutzbarer Weise nicht mehr zunehmen kann, zählt dann allgemein die “innere” Stärke und der “innere” Reichtum im Besonderen. Quantität schlägt in Qualität um. Am Ende der virtuellen Differenzierung steht der “Kluge” und wenn hier der Übergang (zur Ethik) geschieht, ist die soziale Quantität insgesamt in die soziale Qualität umgeschlagen. Aber bei dem Anschließen der virtuellen Differenzierung an die funktionale Differenzierung bleibt wiederum nicht die segmentäre Differenzierung außen vor: Europa wird in die Welt aufgenommen (die Tugend als Aufgabe als Bereich). Es dehnt sich nicht nur in Räume aus, von denen es keinen Begriff besitzt. Diese Aufnahme Europas in die Welt bedeutet aber nicht nur gegenseitiges Lernen (Entstehung des europäischen Unbewussten), sondern die asymmetrischen Verhältnisse zwischen Europa und den außereuropäischen Kulturen werden solange ausgenutzt wie sie Vorteile versprechen.

Das zweite von Stichweh (teilweise aufgrund noch fehlender Empirie) verworfene Strukturprinzip ist die Stratifikation. Die stärkste Restriktion der Wahrscheinlichkeit einer Stratifikation der Weltgesellschaft sieht Stichweh in der Größe und Unübersichtlichkeit des Weltsystems, die es nicht erlauben würden, “global verlässliche Informationsverteilungen zu erzeugen”, die den Individuen eine Zurechnung zu einer einigermaßen stabilen Schichtungslage  gestatten würden. Eliten sind nach Stichweh kein stratifikatorisches Phänomen, sondern (Eliten-)Experten definieren sich zuerst durch ihre Funktionssystemzugehörigkeit.  Stratifikation stellt auch für mich ein interessantes Phänomen dar. Im Unterschied zur Hierarchie gibt es bei der Stratifikation nicht von vornherein einen Zusammenhang, der durch Menschen für einen Zweck (und sei es ein heiliger) geschaffen wird, sondern eine (unmenschliche?) Gestaltung geht schon voraus. Die Lagen verteilen sich dann, ohne dass der Einzelne mit anderen auf der Stelle etwas Grundlegendes daran ändern kann. Der Einzelne kann aufsteigen. Die Stratifikation wird dadurch aber gerade bestätigt. Dass es irgendeinen bestimmten  Aufstieg gibt, ist hier aber nicht vorgegeben. Es existieren anders als bei der Hierarchie keine Regeln hierfür. Zu jeder Soziogenese-Phase gehört eine spezielle Stratifikation.  Klar ist die Machtbasierung der segmentären Stratifikation, ebenso wie die Geldbasierung der funktionalen Stratifikation und die Wissensbasierung der virtuellen Stratifikation. Die Einteilung erfolgt (siehe Achsenkreis) bei der segmentären Differenzierung nach dem Kriterium der Freiheit (der Freie und der Unfreie), bei der funktionalen Differenzierung nach dem Kriterium der Klarheit unter der Bedingung der Gleichheit (das Eigene und der Fremde) und bei der virtuellen Differenzierung nach dem Kriterium der Reinheit (das Reine und das Unreine). Hierbei gibt es grundsätzlich drei Schichten – also immer noch eine Mittelposition. Diese Schichten sind bei der funktionalen Differenzierung aber nur zur Hälfte personengebunden und bei der virtuellen Differenzierung überhaupt nicht. Die Reihenfolge (aber nur sie) der Differenzierungen ist bezüglich der Phasen der Weltgesellschaft die gleiche, mit dem wesentlichen Unterschied: dass sie schon abgeschlossen sind. Das trifft also auch auf die funktionale Differenzierung zu. Segmentär oder funktional differenziert zu werden braucht die Weltgesellschaft nicht mehr. Sie ist es bereits bei ihrer Entstehung. Und die Binnendifferenzierung des politischen Systems der Weltgesellschaft bzw. des weltpolitischen Systems ist auch nicht die segmentäre Differenzierung. Dann besäße es überhaupt keinen Inhalt, sondern würde nur aus Grenzen bestehen. Entweder gibt es es also gar nicht, oder sie  bildet zusammen mit der segmentären Reproduktion und segmentären Integration gerade einen Zusammenhang, der nicht nur die Komplexität (Politik) in sich begreift, sondern auch die Simplexität(Choratik) und die Perplexität.

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Anthony Giddens: Jenseits von Links und Rechts

(DIESER TEXT WIRD WEGEN MEINER KNAPPEN ZEIT FÜR EINE GANZE WEILE NUR EINE BAUSTELLE BLEIBEN, FRÜHESTENS AM 1.5.2013 FERTIG SEIN. UM DIE MENGE AN PROBLEMEN, DIE ICH MIR HIER VORGELEGT HABE, IN DER AUSFÜHRLICHKEIT ZU LÖSEN , DIE SIE VERDIENEN, MÜSSTE ICH MICH VORRANGIG AUF SIE KONZENTRIEREN, WOFÜR MIR DIE ZEIT FEHLT. ZEIT IST GELD, DAS ICH NICHT BESITZE. DAS COPYRIGHT FÜR DIE HIER PRÄSENTIERTEN SCHEMATA BEANSPRUCHE ICH ABER SCHON EINMAL MIT DIESEM TEXT.)

Dieses Buch ist zuerst im englischen Original unter dem Titel “Beyond Left and Right. The Future of Radical Politics” 1994 erschienen. Suhrkamp brachte es dann 1997 in der Edition Zweite Moderne mit dem Untertitel “Die Zukunft radikaler Demokratie” heraus. Obwohl es im Legitimations-Hintergrund von Labour- und SPD-Konzeptlosigkeit unter Blair und Schröder anzusiedeln ist, halte ich dieses Buch im Spektrum der Globalisierungs-Diskurse nicht unbedingt für überflüssig, historisch vielleicht sogar für wertvoll, weil sich hier einer Gedanken macht, wie man halbwegs unbeschadet aus einer Situation herauskommt, der man mit dem alten Lager-Denken nicht mehr beikommen kann. Dann aber doch mit dem alten politischen System? Das ist die entscheidende Frage, die ich stellen möchte. Denn die Perspektive von Giddens richtet sich hier implizit (später mehr explizit) auf die Inhalte der Parteipolitik. Er kann sich also gar nicht vorstellen, dass wenn man über das Links-Rechts-Denken hinausgeht, auch Diesseits von Links und Rechts ankommen kann. Wenn ich mir Gedanken mit der Perspektive (oder der Notwendigkeit!) “Jenseits von Links und Rechts” mache, weil ich erkannt habe, dass ich ganz weit links immer noch ein klein wenig rechts zulassen müsste, und mich doch lieber mit konkreten Inhalten zu beschäftigen hätte, sie an die Stelle von Interessen – auseinandersetzungen setzen müsste, komme ich dann nicht in einem Feld an, das diesseits von jenem liegt, wo die Unterscheidung zwischen Links und Rechts immer noch(?) für die Abgrenzung von politischen Positionen oberflächlich(?) bedeutsam zu sein scheint. Giddens geht feinfühlig den Nuancen des konservativen Denkens nach und macht sich Gedanken über die Grundlagen des sozialistischen Denkens, die man ebenfalls nachvollziehen kann und er drückt sich auch nicht wie Albrow vor fundamentalen Unterscheidungen. Ihm entgeht allerdings die Pointe, dass Prävention und Invention in der Ausgestaltung des politischen Systems selber verankert werden müssten und nicht nur Handlungsleitlinien einer mit anderen Parteien konkurrierenden Partei zu sein hätten.

Mit Hilfe seines Konzeptes einer erfinderischen Politik will sich Gidddens von linken und rechten Orthodoxien absetzen. Ich würde hier aber eher von “soft politics” sprechen. Statt konkrete Handlungsanweisungen zu geben, wird nur ein Rahmen abgesteckt, in dem Empfehlungen abgegeben werden können. Dabei soll der Autonomie der betroffenen Akteure Rechnung getragen werden.  Das ist sicherlich nicht falsch. Doch es kann noch keine konkreten allgemeinen Konzepte ersetzen. Wird hierbei auf etwas verzichtet, was man noch explizit bestimmen müsste? Müsste dieser Rahmen überhaupt explizit gemacht werden? Oder könnte auf ihn auch verzichtet werden und könnte man dann an die Stelle des Konzeptes der erfinderischen Politik nicht einfach das Ideal der klugen Politik setzen? Damit wäre dann auch darauf hingewiesen, dass von der Klugheit der Akteure nicht unbedingt ausgegangen werden kann und dass man ihr Niveau auch nicht durch das Verfassen von Leitlinien anheben kann. Es wird hiermit also nur eine Untergrenze definiert, von der ab man von einer rationalen Politikführung sprechen könnte. Aber diese Untergrenze ist einfach: keine Rationalität. Der Vorteil von Konzeptlosigkeit ist ja, dass man immer momentan entscheiden können kann, ohne dass man sich an vorherige (vielleicht im Moment nicht mehr adäquate) Vorlagen gebunden fühlt. Um die Situation jetzt vollständig zu erfassen. So sind wir denn auch alle gleich und auch Rechts und Links wären nur Überbauphänomene, die die allgemeine Orientierung eher verhindern. Aber es kann doch nicht sein, dass das gerade die Politik der Zukunft sein soll? Das Beseitigen von Hemmnissen ist in der Gegenwart sicherlich nötig, trägt ihrem Charakter Rechnung und stimmt auch mit meiner Theorie der ethischen Disjunktion von Komplexität und Simplexität überein, nach der alle lediglich die Komplexität betreffenden Probleme schon gelöst sind, aber dass ist noch keine Grundlage einer rationalen Politik, die sich ihr Thema nicht selber geben kann. Ganz allgemein geht es um die Integration der Zeithorizonte Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft durch u.a. die zu treffende Entscheidung. Die Entscheidung setzt immer voraus, dass es 1. auch etwas gibt, über das entschieden werden muss (etwas ist mehr oder weniger dringlich), 2. die Entscheidung Folgen haben wird, die der Entscheidende abschätzen können sollte und 3. , dass der Entscheider prinzipiell ersetzbar sein sollte, da die nächste Situation, in der wieder entschieden werden muss, mit Sicherheit vor der Tür steht und der Entscheider mit seiner Entscheidung Kompetenz entweder beweist oder nicht beweist. “There is no middle ground”.  Nicht für die, die von der Entscheidung abhängen. Er muss zur Verantwortung gezogen werden können. Später werde ich die Bedingungen für eine wirklich inventive Politik nennen, die aber nicht die momentanen Entscheidungen der Entscheidungsträger betreffen, sondern die Voraussetzung dafür, die Entscheidung über die Entscheidung: wer das Volk im Staate vertritt. Im Zusammenhang damit werde ich noch einen Fehler und eine Unvollständigkeit aus meiner Albrow-Kritik korrigieren, wodurch mein Ethik-Modell noch wasserdichter wird. Die Materialität steht in der Ethik nicht nur für die Integration und die Spiritualität nicht nur für die Reproduktion. Eine weitere Unterscheidung muss hinzugefügt werden. Die Materialität steht auch für die Reproduktion und die Spiritualität auch für die Integration. Was das mit “Links” und “Rechts” zu tun hat, soll weiter unten deutlich gemacht werden. Der Fehler aus meiner Albrow-Kritik betrifft die Einordnung der Transjunktion in meinem Operationalisierungs-Modell.

Giddens geht vom Begriff des aktiven Vertrauens aus, das “in der Verknüpfung mit einer Gesellschaft der gescheiten Leute einen mit Belangen der Politik der Lebensführung eng verwobenen Begriff der generativen, erfinderischen Politik”(S.135) beinhaltet. Aktives Vertrauen ist Vertrauen in andere oder in Institutionen, “das aktiv hervorgebracht und abgestimmt werden muss”(ebd.). Mit der Gesellschaft der gescheiten Leute ist gemeint, dass die von Spezialisten erzeugten Informationen “auch von Nichtexperten im Zuge ihrer Alltagshandlungen routinemäßig interpretiert und ihrem Tun zugrunde gelegt”(S.26) werden.

Giddens kennzeichnet die erfinderische Politik folgendermaßen:

1. Förderung von Bedingungen, “unter denen erwünschte Ergebnisse erzielt werden können, ohne bei der Bestimmung der Wünsche oder der Herbeiführung der Ergebnisse ‘von oben herab’ zu verfahren”(S.135)

2. Im Zusammenhang mit jeder Regierungstätigkeit sind Situationen zu schaffen, in denen aktives Vertrauen aufgebaut und aufrechterhalten werden kann

3. Gewährung von Autonomie für die von politischen Maßnahmen Betroffenen; Giddens fügt hinzu “in vielen Kontexten muss diese Autonomie überhaupt erst herangebildet werden”(ebd.)

4. Schaffung von u.a. auch materiellen Ressourcen, “die der Autonomie nützen”(ebd.)

5. grundsätzliche Dezentralisierung der politischen Macht “aufgrund des erforderlichen Informationsstroms von unten nach oben und wegen der Anerkennung der Autonomie”(S.136)

Bei der erfinderischen Politik geht es also mit anderen Worten um die “Aktivität” des Vertrauens in Situationen der Über- und Unterordnung. So als ob diese vermieden werden könnte. Es gibt diesen schönen Neologismus “Proaktivität” in Anlehnung an den Begriff Reaktivität. Mit ihm wurde bisher Verschiedenes bezeichnet. Nicht ganz konsequent, wie ich meine. Wenn man in Anlehnung an den Begriff Pronomen (allgemeines Bezeichnungskürzel anstelle der Namensnennung, also “Für-den-Namen”) Proaktivität einfach entsprechend der Wortbedeutung  mit  “Für-die-Tätigkeit” übersetzt, ist das dann nicht ein anderes Wort für Selbstvertrauen und hätten wir nicht damit ein Grundelement benannt, das in Giddens Theorie leider nur als Desiderat auftaucht? Darauf könnte man dannaufbauen. Die Verhaltenstruktur des Proaktiven enthält alle nötigen Problembewältigungseigenschaften: er kann etwas, muss es aber nicht.   Die weiteren Begriffe wären dann nach meiner Theorie (siehe “Forschung”/”Achsenkreis”) Korealität und Contraidentität. In dem Begriff  Korealität bedingen sich sowohl das Selbst und die Welt als auch das Vertrauen und die Verantwortung gegenseitig. In der Korealität macht man etwas, weil man es mag und nicht, weil man es soll. Dadurch agiert das Begehren zielgerichteter. Contraidentität (“Gegen-die-Selbigkeit”) wäre eine andere Bezeichnung für Weltverantwortung. Wer eine Contraidentität besitzt, ist ein ganzer Teil der Welt, in der er lebt. Er hat sie gewollt und wird sie gewollt haben und lebt nicht in ihr, weil er “darf”. Dadurch schließt sich der Zirkel und der “Aufbau” ist ein “natürlicher”. Es finden sich direkte und reichliche Anknüpfungspunkte für diese drei Konzepte in der deutschen Philosophie. Das Konzept der Proaktivität enthält alles, worauf die Philosophien von Nietzsche und Kant zusammen hinauslaufen, das Konzept der Korealität alles, worauf die Philosophien von Stirner und Hegel zusammen hinauslaufen und in dem Konzept der Contraidentität ist alles enthalten, worauf die Philosophien von Heidegger und Schopenhauer zusammen hinzielen. Analytisch betrachtet werden in diesen Begriffen strenggenommen jeweils zwei distinkte philosophische Sichtweisen als Kulturelemente zum Zwecke der  natürlichen Gesamtverbindung aller möglichen lediglich philosophischen Herangehensweisen verknüpft. Dieses dreimalige “Zusammen”  gab es ja nicht in diesen Philosophien, sondern es gibt es nur mit ihnen.  “Die Philosophie durchschreitet die Theorie zur Praxis hin”. Das dynamische Element in diesen Philosophien wird so deutlich. Die Philosophie z.B. von Hegel war also nie lediglich “Philosophie”, wie uns Marx vielleicht glauben machen lassen will. Was er hinzufügte, war lediglich die Zeit als das konkrete Zusammenleben der Menschen im Jahre 18hundertsoundsoviel. Die Menschen wussten aber mehr über sie, als Marx mit seiner Theorie in Anschlag bringen konnte.

Im Profusionismus (siehe unter Zeitgeschehen/Tendenz) geht es darum, den Bürgern wirklich die Wahl zu lassen und das wäre auch nur ein Aspekt des politischen Systems – derjenige, der unter die Maxime gestellt werden kann “Invention statt Intervention”. Denn wenn die Bürger intervenieren dürften, wird das politische System selbst wage in seiner Kontrolle durch die Bürger. Ein Gedanke, der Giddens nicht unbedingt klar zu sein scheint in seiner Sympathie für die Sozialdemokratie. Im Profusionismus muss man sich also radikal(?) Gedanken machen, wie ein politisches System unter ethischen Gesichtspunkten auszugestalten ist. Gibt es in ihm extra Orte für das Oben und Unten (des Heranbildens), das Ferne (der Ethik) und das Nahe (des ontischen Körpers) und könnten wir zur Bestimmung dieser Orte auf die alte Unterscheidung links/rechts zurückgreifen? Und wenn wir auf sie zurückgreifen können, dann unter welcher Bedingung? Diese wesentliche Bedingung ist die Grundvoraussetzung, um die es an all diesen Orten des politischen Systems geht und von der viele selbsternannte Linksextreme – aus Bequemlichkeit, wie ich meine – nichts hören wollen (weil sie beide Begriffe ablehnen?): die Unterscheidung Staat/Volk. Mit Hilfe dieser Unterscheidung können diese Orte im politischen System bestimmt werden. Und wer das nicht sieht oder zugeben will, der weiß noch nicht einmal, wo er steht. Platt ausgedrückt geht es  also darum, die Beziehungen zwischen  Staatsgeschehen und Volksgeschehen dann zu regeln, wenn sie sich nahe kommen und auch wenn sie einander fern bleiben. Beim Oben und Unten dagegen geht es um die Beziehung zwischen den Entitäten von Staat und Volk: beim Oben um die Beziehung zwischen dem Staat an sich und dem Volk an sich und beim Unten um die Beziehung zwischen dem Staat für sich und dem Volk für sich. Hier ist die Hegelsche Unterscheidung von an-sich und für-sich nützlich. Bezüglich des Obens hat die Maxime zu lauten: “Advention statt Circumvention”. Hier gibt es Ähnlichkeiten zwischen dem Profusionismus und dem Anliegen der Theorie, die Latour in “Parlament der Dinge”  entwickelt. Bezüglich des Untens lautet die Maxime “Prävention statt Evention” und bezüglich des in der Distanz aufeinanderbezogenen Geschehens im Staate und im Volke um “Pervention      statt Konvention”. Diese Systematik wird weiter unten noch näher erläutert. Zuvor werde ich auf die Gedanken von Giddens eingehen, der teilweise überzeugend kritisiert (das Nicht-Überzeugende herausfiltern kann), dann aber selber nur eher eine Art Motivationslage präsentiert und diese zwar (prä-)analytisch begründen kann, synthetisch aber kein festes Land unter den Füßen gewinnt und keine ernstzunehmende Neuorientierung in seinen Resultaten vorweisen kann. Einige eminent wichtige Koordinaten, die man bei Albrow vergeblich sucht, finden sich hier. Weshalb ich von Giddens Theorie auch nicht von einer Überblickstheorie sprechen will. Der Orientierungsgewinn für die Politik bleibt allerdings gering bzw. wird gering gehalten, wenn es um die Veränderung des Status Quos geht. Wenn man über Links/Rechts hinausgehen will, aber nicht den Mut hat, den Status Quo zu hinterfragen, bei welcher (aufgeklärten?) Mitte kommt man dann an? Ist dann der  – in welcher Zählung auch immer – “Third way” die Hin-und-Her-Oszillation zwischen Links und Rechts? In diesem Buch wird der Begriff “Third Way” noch nicht für die eigene Position verwendet, sondern der dritte Weg bezeichnet hier noch eine Form des “marktwirtschaflichen Sozialismus”, dessen Perspektiven Giddens pessimistisch einschätzt (vgl. S.104f).

Giddens beginnt mit der Einordnung der Problemlage. Die wesentliche Unterscheidung ist dabei jene zwischen hergestellter und externer Unsicherheit. “Die hergestellte Unsicherheit ist ein Ergebnis menschlicher Eingriffe in die Bedingungen des sozialen Lebens und in die Natur”(S.22). Die Herausbildung der hergestellten Unsicherheit ist einerseits das Ergebnis “der langfristigen Entwicklung der Institutionen der Moderne”(S.23), andererseits “ist die beschleunigte Zunahme dieser Unsicherheit das Ergebnis einer Reihe von Vorgängen, die die Gesellschaft (und die Natur) in höchstens vier oder fünf Jahrzehnten umgestaltet haben”(ebd.). Giddens macht hier drei Gruppen von Entwicklungen aus: die Globalisierung, die Entstehung einer posttraditionalen Gesellschaft und die Ausbreitung der sozialen Reflexivität. Auf große Trennschärfe der Phänomene legt Giddens hier anscheinend nicht besonders viel Wert. Sein Globalisierungsbegriff ist für sich genommen nicht sehr anspruchsvoll und bringt nicht viel Neues. Es handelt sich bei ihr “um eine Verwandlung von Raum und Zeit”(ebd.) und sie sei “eine Art Fernwirkung”(ebd.). Ihre Verstärkung ist das Resultat der direkten globalen Kommunikation und des Massenverkehrs. Sie dringt tief in den Alltag ein und umgekehrt “sind lokale Lebensstile global folgenreich”(ebd.). “Die Globalisierung ist kein Einzelprozess, sondern ein komplexes Gemisch mehrerer Vorgänge, die häufig in Widerspruch zueinander geraten und Konflikte, Verwerfungen und neue Formen der Schichtbildungen nach sich ziehen”(ebd.).  Die These der postraditionalen Gesellschaft besagt, dass im Kontext der einfachen Modernisierung immer noch die stabilisierende Wirkung von Traditionen unhinterfragt bleibt. Großtraditionen des Nationalen werden neu erfunden und Traditionen  bezüglich von Geschlechterrollen erweisen sich als anpassungsfähig  (” …die Frauen fest ans Haus gebunden, …”,S.24). Sogar die Wissenschaft sei zu einer Tradition geworden. Man könnte auf sie als “Autorität” zurückgreifen. Im Kontext der Globalisierung dagegen werden “die Traditionen jedoch der öffentlichen Debatte ausgesetzt. Sie müssen begründet oder gerechtfertigt werden”(ebd.). Der Fundamentalismus verteidige dann die Traditionen in traditioneller Weise. Gegen die Notwendigkeit ihrer Rechtfertigung spricht allerdings die Tatsache, dass  bei Traditionen vorausgesetzt wird, dass sie eine eigene, rituelle Wahrheit enthalten(vgl. S.25). Wenn sie zum Gegenstand von Entscheidungen werden, können Fundamentalismen entstehen. Als einen Partnerbegriff der Tradition wirft Giddens die “Natur” in die Debatte: “Die Auflösung der (in traditioneller Weise aufgefassten) Tradition ist verflochten mit dem Verschwinden der Natur”(ebd.). “Die hergestellte Unsicherheit dringt in alle Lebensbereiche ein, die so Entscheidungen zugänglich werden”(ebd.). Es wird hier nicht ganz klar, wie die Anerkennung des Charakters von Traditionen bei Giddens mit der Zeitdiagnose übereingebracht werden kann, dass sie Gegenstand der Willkür werden. Vielleicht  liegt ja keine Krise des traditionalen Wissens vor , sondern eine des traditional Wissenden. Eine Unterscheidung, die Giddens nicht gebraucht, die das angesprochene Problem meines Erachtens aber erhellen könnte. Die dritte Gruppe von Entwicklungen ist die Ausbreitung der sozialen Reflexivität. Vieles, was die Tradition noch selbstverständlich machte, muss nun auf seine Tragfähigkeit hinsichtlich des eigenen Lebensplanes überprüft werden. Folgerichtig verlangen die Menschen mehr Autonomie in ihrer Lebensführung. “Außerdem handelt es sich hierbei nicht um ein bloßes Wisssen von einer unabhängigen sozialen Realität, sondern  um eines, das durch seine Anwendung beim Handeln die Realität beeinflusst. Diese Zunahme der sozialen Reflexivität bewirkt hauptsächlich eine Verschiebung des Verhältnisses zwischen Wissen und Beherrschbarkeit, und dies ist eine Hauptursache der hergestellten Unsicherheit”(S.26). Weiter hinten (S.118) spricht er auch einfach von “Veränderungen im Alltag und im persönlichen Leben”. Diese drei Einflusskomplexe würden der “abendländischen Moderne” entstammen, “doch heute betreffen sie die Welt als ganze; und in gebrochener Form strahlen sie zurück, um so eine Umgestaltung der Moderne an ihrem Ursprungsort einzuleiten” (S.118f).

Die Risiken, die aus der Ausbreitung der hergestellten Unsicherheit hervorgehen, sind konsequenzenreich und es gäbe vier hervorstechende Krisenkontexte, in denen wir ihnen gegenüberstehen würden und die auf einen eigenen institutionellen Bereich der Moderne bezogen sind (vgl. S.141): der Krisenkontext der Ökologie ist auf den institutionellen Bereich des Industrialismus bezogen, der Krisenkontext der Armut auf den Kapitalismus, der Krisenkontext der Kriegsgefahr logischerweise auf die Schaffung der Mittel zur Gewaltanwendung und der Krisenkontext der Verweigerung demokratischer Rechte auf die Überwachung und die Informationskontrolle (vgl. S.144). Giddens schlägt nun “von seiten der radikal-politischen Kritik” (S.145) zu diesen institutionellen Bereichen der Moderne Alternativen vor – was nun schon an sich ein gewagtes Unterfangen darstellt.

Seine Alternative zum Industrialismus ist die humanisierte Natur, jene zum Kapitalismus die Nachknappheitsökonomie, jene zu den Mitteln der Gewaltanwendung ausgehandelte Machtverhältnisse und die zur Überwachung die “dialogische Demokratie”.  Im Gegensatz zu Albrow zieht Giddens seine Erkenntnisse nicht nur aus der Praxis, sondern will sie für die Praxis nutzen. War Albrows Frevel ein theoretischer, so ist  jetzt Giddens Frevel aber ein praktischer, denn obwohl er sich vor den fundamentalen Unterscheidung nicht drückt, können sie sich nicht in seinen Ergebnissen und Handlungsvorschlägen niederschlagen, denn das Verständnis, was er für die Sachlagen vermittelt, bezieht sich  jetzt hier auf einen Erkenntnisgegenstand, den es noch gar nicht gibt. Wir wissen nun zwar, wie es sein soll, aber das u.a. die Realität da mitspielt, ist realistischerweise nicht anzunehmen, wenn keine Vorkehrungen getroffen werden können. Zur Realität gehören aber auch die eigenen Möglichkeiten. Und solange Giddens die auf seiner Seite weiß, zehrt er von einer Legitimation, der aber ihr eigenes Recht erst verschafft werden muss. Es würde nicht reichen, es nur zu reklamieren. Giddens spricht hier auch von “politischen Möglichkeiten” und dass ein “utopischer Realismus” (S.145) angebracht sei. “Der utopische Realismus ist in der von mir befürworteten Gestalt das Kennzeichen einer kritischen Theorie ohne Garantien. ‘Realistisch’ heißt diese Einstellung, weil eine solche kritische Theorie und eine solche radikale-demokratische Politik soziale Prozesse begreifen müssen, um Ideen und Strategien vorzuschlagen, die in der Tat umgesetzt werden können. ‘Utopisch’ heißt sie aus folgendem Grund: In einer Gesellschaft, die von sozialer Reflexivität immer stärker durchdrungen wird und in der mögliche Zukunftsabläufe nicht nur ständig gegen die Jetztzeit abgewogen werden, sondern die Gegenwart mitprägen, können Modelle dessen, was möglich ist, das, was eintreten wird, unmittelbar beeinflussen. … . … , denn wir halten nicht mehr daran fest, dass vermehrtes Geschichtsverständnis das gleiche bedeute wie gesteigerte Erkennbarkeit des Handelns und daher verbesserte Beherrschung des Verlaufs dieses Handelns”(S.333f). Die “Trends” seien auf der Seite dieses Realismus. Aus Trends lässt sich aber keine Politikgestaltung ableiten – schon gar nicht, wenn sie selektiv behauptet werden können. Mein Weg in meiner soziologisch-theoretischen Sozialisation (Tertiär- oder Metasozialisation?) war ein anderer, weswegen ich auch immer einen Bogen um Giddens soziologische Theorie gemacht habe, obwohl mir seine Argumentationen nicht widersinnig erschienen, den Widersinn zu verteidigen schienen, den die Gesellschaft sowieso zu ihrer Widerständigkeit als Erkenntnisgegenstand braucht. Insofern stellte ich für mich Giddens auch immer eher in die Reihe der postmodernen Soziologen, obwohl seine Sachlichkeit und sein Anliegen sicherlich dagegen sprechen. Nur was die Ergebnisse dieses Buches anbelangt, fühle ich mich in dieser Einschätzung bestätigt. Die vier Alternativen sind es wert, dass man sie näher beleuchtet.

“Sich dem Problem der Humanisierung der Natur stellen heißt: von der Existenz einer ‘formbaren Natur’ ausgehen, einer Natur, wie sie innerhalb der posttraditionalen Ordnung fungiert. Entscheidungen über das, was man bewahren oder wiederherzustellen bemüht sein sollte, können nicht unter Bezugnahme auf vom Menschen unabhängige Sachverhalte getroffen werden”(S.147). Es taucht aufgrund des unbestimmten Zeitpunktes des “Naturverlustes der Natur” die Schwierigkeit der Analyse des Maßes der Umweltschädigungen auf.  Man könnte hier z.B. die Abweichung von natürlichen Regenerationszyklen messen. Wie auch bei der Tradition  müsse man bei “der Frage der Bewahrung …. auf das Problem eingehen, wie es möglich ist, bei zukünftigen Plänen das Vergangene zu berücksichtigen und zu interpretieren”(ebd.). Insgesamt macht Giddens vier Bereiche aus, wo die Natur im Verschwinden begriffen sei und wo es Risiken, aber auch Chancen der “sittlichen Erneuerung”(S.280) gibt: neben dem expliziten Bereich der Natur(Umweltschutz) noch die Fortpflanzung(Sexualität), globale Systeme/Großrisiken(Vorbeugung und nachhaltige Entwicklung) und die Persönlichkeit(Körper und Gesundheit). “Natur” sei heute schon immer bearbeitete Natur und der Umgang mit ihr “muss heute offenbar in beträchtlichem Maße defensiv sein; es sind zu viele neue Bedrohungen und konsequenzreiche Risiken erzeugt worden, als dass ein anderes Verhalten möglich wäre. Die Kriterien für eine positiv eingestellte Beurteilung der bearbeiteten Natur betreffen nicht die Natur selbst, sondern Werte, die bei der Bearbeitung als Richtschnur dienen, einerlei, ob von stark urbanisierten oder von wilden Gegenden die Rede ist”(S.284). Im Bereich der Fortpflanzung geht es um die Funktion der Wissenschaft, von der wir uns hier keine Entscheidungen abnehmen lassen dürfen: “Doch wenn die wissenschaftliche Forschung in praktischer Hinsicht mit so vielen reflexiven Folgen behaftet ist, lässt sich nicht einmal die Gültigkeit der Ergebnisse rein innerwissenschaftlich beurteilen”(S.291). Giddens nimmt u.a. Bezug auf die Erforschung des menschlichen Genoms. Außerdem folgt noch eine kurze Auseinandersetzung mit der Abtreibungsproblematik. In der Diskussion darüber hätte sich gerade “die Heiligkeit des menschlichen Lebens als allgemeingültiger Wertanspruch entpuppt”, “das genaue Gegenteil eines beliebigen Wertpluralismus”(S.294). Die Debatte würde auf eine globale Situation verweisen, “in der die moralischen Lebensansprüche und die Ausschöpfung menschlicher Möglichkeiten als mehr oder weniger selbstverständliche Prämissen gelten. Und diese Sachlage ist sicherlich etwas ganz Neues”(ebd.). Wieso er hier nicht auf die Empfängnisverhütung eingeht, finde ich schon erstaunlich, da doch gerade hier in ihrem innersten Kernbereich die Natur nicht sich selbst überlassen bleiben soll. Kann denn hier der Mensch (oder die Frau – für den Mann?) wirklich wissen, was er tut, wenn er der Natur den Stab aus der Hand nimmt und glaubt selbst am Besten planen zu können? Wo fängt wahre Selbsterkenntnis an? Was die reinen Zahlen angeht, haben hier sich klüger gerierende  Dummheiten schon fast (oder schon längst?) völkermörderische Ausmaße angenommen. Die Möglichkeit eines Eingriffes in die Funktionsweise des weiblichen Körpers mobilisierte die Interessen eines Teils der Weiblichkeit, zu zeigen, wie gleich sie doch den Männern sind. Ich bin hier also wesentlich skeptischer als Giddens und sehe hier verschiedene Interessen am Werk. Sich der Verantwortung zu stellen, bedeutet zunächst einmal, sich den ganzen Potenzen des Lebens zu stellen – ohne Einschränkung und mit der ganzen Brutalität der Auswirkungen, die sich einstellen können.

Wenn man das nicht mehr muss, kann es gerade zu einer Verflachung der mentalen Eigenschaften der Menschen kommen und das Gefühl der Heiligkeit sollte doch im innersten Bereiche des Menschen bewahrt werden. Woran die Kirche ein berechtigtes Interesse haben sollte. Obwohl der Eingriff in die Funktionsweise des weiblichen Körpers bei der Pille eher subtil ist, bei der Abtreibung dagegen massiv, müsste die Kirche die  Rückgebundenheit an den Schöpfungsgedanken artikulieren und schon um ihrer selbst willen eine ideelle Grenze ziehen. Ichvertraue hier eher der längeren Entwicklung als der Technik und den chemischen Möglichkeiten, die sie eröffnet. Aber eigentlich müssten die Menschen das auch selber wissen, denn um sie geht es ja. Aufklärung sollte aber nicht nur bedeuten, Halbwüchsigen zu erklären, wie der Geschlechtsakt nun rein technisch-biologisch funktioniert, sondern es geht auch immer um ein allgemein-gesellschaftliches Verständnis, um die Vorstellungen des zukünftigen Zusammenlebens, das über die eigene organische Existenz hinausreicht und trotzdem (oder gerade  deshalb) noch lebenswerter ist. Das Opfer, das man für die nächste Generation bringen muss, ist man selbst und das ist der Sinn des Wesens  der imaginären Gewalt. Wenn man die Entwicklungen nicht hinterfragt, dann weiß man auch nicht, warum es alles oder auch nur etwas unter anderem gibt. Man blendet tatsächlich existierende Phänomene aus. Die Verflachung der mentalen Eigenschaften der Menschen offenbart sich in dem Hass auf das Besondere. Und es gibt ganze, sich politisch gerierende Jugendszenen, die auf diesem Hass aufbauen.

Jene ideelle Grenze betrifft auch die Verhütung durch Kondome, weil die Erfahrung des Heiligen eine bestimmte intellektuelle Reife voraussetzt und  die Verwendung von Kondomen eigentlich ganz anschaulich sinnlich dieser Reife widerspricht, obwohl sie schon teilweise aus praktisch-gesundheitlichen Erwägungen geradezu geboten scheint. Hier muss die Inkaufnahme des Schadens des Partners sowie des eigenen ausgeschlossen werden. Aber diese Kurzfristigkeit zeugt schon von vornherein nicht von Aufgeklärtheit im wahrhaftigen Sinne.Giddens meint, dass man die Uhr nicht zurückdrehen kann. Auch der Umgang mit dem eigenen Leib hat reflexiv zu geschehen.  Wenn man aber Werte voraussetzt, kann alles anders aussehen und eine Entscheidung gegen das Leben (auch wenn es nicht das eigene personale ist) kann per definitionem bei ausgeschlossenem Zwang kein positives Vorzeichen erhalten. Es ist eine Entscheidung für die Gegenwart und gegen die Zukunft und widerspricht somit der Einheit der Zeithorizonte, die das Leben in sich nun einmal darstellt. Es geht hier ja nicht um Opportunitätskosten. Und wenn, wird dann Zeit hier “verbraucht”,”aufgebraucht”? Inwiefern ist reflexive Modernisierung nach dem Begriff von Giddens also schon als dekadente Modernisierung gedacht und insofern – was den Charakter der Moderne anbelangt – reaktionäre Modernisierung? Das scheint mir dort belegt, wo Giddens Dworkin bei der Abtreibungsdebatte zu Rate(?) zieht und den Widerspruch zur Heiligkeit des Lebens gar nicht bemerkt: “Es sei nicht das Lebendigsein als solches, dem Wert zugesprochen wird, sondern die Art des Lebens, zu der der einzelne fähig ist”(S.294). Die Art des Lebens, zu der der einzelne fähig ist, verdichtet sich aber gerade in der absoluten Engstelle der Sexualität(die Haltestationen bis zur Endstation Ableben). Wie kann man dann das Resultat (das, was ohne einen selber ist) ablehnen? Das betrifft auch und gerade die Perspektive der werdenden Mütter, da sie die Innenwelt der Außenwelt des werdenden Lebens darstellen. Auf diesen mittelgroßen blinden Fleck in Giddens’ Konzeption wollte ich hinweisen. Dadurch werden die meisten Aussagen von Giddens (insbesondere die analytischen) nicht per se desavouiert. Aber man muss auch Entwicklungen hinterfragen. Und der Faktor, dass die Frauen auf den Arbeitsmarkt drängen, gehört bei ihm mit zu den ausschlaggebenden. Die Randbedingungen darf man dann nicht außen vor lassen und so tun, als ob das gottgegeben wäre. Wenn da ein Bias am Wirken ist, ist das nicht mehr wissenschaftlich. Mag dieser auch noch so sehr libertinär sein.

Der dritte Kontext der verschwindenden Natur sind die Großrisiken. Sie “sind die negative Seite der sich rasch entwickelnden menschlichen Interdependenz”(S.294f). Großrisiken “lassen sich noch viel weniger als sonstige Gefahren mit den üblichen Verfahrensweisen der Wissenschaft überprüfen. Ihre Diagnose enthält ein stark kontrafaktisches Element, und das gleiche gilt auch für alle Vorkehrungen, die getroffen werden, um den Risiken entgegenzutreten. Denn wenn diese Vorkehrungen angemessen sind, werden wir in gewissem Sinne nie erfahren, ob die ursprüngliche Diagnose richtig war”(S.295). “Konsequenzenreiche Risiken machen in höhrem Maße als jede andere Form von Gefahr den Gegensatz zwischen äußeren Bedrohungen und hergestellter Unsicherheit deutlich”(S.296). Neben die Naturkatastrophe treten die Störfälle mit der “vagen Drohung, es werde ‘noch schlimmer kommen’ “(S.296). Von Störfällen mit kurzfristigen Konsequenzen unterscheidet Giddens gewaltige Störfälle wie Tschernobyl  mit “Konsequenzen, die sich endlos in die Zukunft verzweigen”(S.297).

Der letzte Kontext des Naturverlustes betrifft die Persönlichkeit und den Körper. “Früher wurde das Ich in lokalen Handlungskontexten und mit Bezug auf relativ klare Kriterien der Gruppenzugehörigkeit entwickelt. ‘Ein Ich haben’ hieß soviel wie: jemand von bestimmter Art ‘sein’. Heute dagegen heißt ‘ein Ich haben’, dass man durch die eigenen Handlungen ‘herausfindet, wer man eigentlich ist’.  …  . Man kann nicht ‘jemand werden’, ohne das sittliche Leben wiederzuentdecken, einerlei, wie indirekt oder fragmentarisch diese erneute Begegnung ausfallen mag. Vielleicht sollte man diesen Sachverhalt umgekehrt formulieren und sagen: Ohne eine solche Verbindung zur Ethik des persönlichen Lebens gewinnt leicht eine anfällige Zwanghaftigkeit die Oberhand – und das geschieht immer häufiger. Der Leib muss reflexiv gestaltet werden, seit Globalisierung und Reflexivität gemeinsam dafür gesorgt haben, dass der Körper nicht mehr als ein Bestandteil der gegebenen ‘Landschaft’ des eigenen Lebens hingenommen wird”(S.301). Die Gesundheitsfürsorge müsse zusammen mit der Umweltfürsorge betrachtet werden. Alle Minuspunkte hätten auch positive Seiten. Wenn man die Umweltvergiftung “mit positivem Vorzeichen” betrachtet, “so verweist sie darauf, dass die Pflege des Körpers und des Ich in Maßnahmen der Umwelterneuerung integriert werden könnte und vielleicht integriert werden muss”(S.304)

“Nachknappheit bedeutet nicht, dass überhaupt keine Knappheit existiert, denn auf jeden Fall wird es stets “positionelle” Güter geben. Tendenzen in Richtung einer Nachknappheitsökonomie kommen dort zum Vorschein, wo Akkumulationsprozesse weithin als Bedrohung oder Zerstörungpositiv bewerteter Lebensweisen wahrgenommen werden, wo die Akkumulation im Hinblick auf ihre eigentlichen Ziele deutlich kontraproduktiv wird  (d.h. wo “Überentwicklung” suboptimale wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Konsequenzen nach sich zieht) und wo im Bereich der Politik der Lebensführung Einzelpersonen oder Gruppen Entscheidungen über den Lebensstil treffen, durch die die Maximierung wirtschaftlicher Erträge begrenzt oder geradezu behindert wird“(S.146).

“Eine normative politische Theorie der Gewalt kann sich nicht bloß mit dem Frieden befassen; zumindest muss sie, wenn sie Verallgemeinerungen anstellt, hinausgehen über eine hypothetisch angenommene kriegfreie Situation. In der Welt von heute gibt es, wie ich zu zeigen versuchen werde, ein neues Verhältnis zwischen Gewalt einerseits und der Möglichkeit dialogischer Verständigung andererseits, und dieses Verhältnis gilt im Prinzip für alle Formen der Gewalt, von der Gewalt zu Hause bis zum Krieg”(S.148f). Giddens knüpft hier u.a. bei der “nachmilitärischen Gesellschaft” an, von der Martin Shaw spricht. Giddens: “Befriedung in globalem Maßstab wird wahrscheinlich die gleichen Prozesse nach sich ziehen, die sich bei der Befriedung im Inneren der Staaten herausgebildet haben. … : Die Konsolidierung der nachmilitärischen Gesellschaft würde bedeuten, dass sich jene Einstellung verbreitete, wonach Gewalt bei der Entschärfung internationaler Spannungen und Probleme eine immer geringere Rolle spielen sollte. Zur aktiven Seite der staatsbürgerlichen Verantwortung würde dann gehören, dass man die Verpflichtung anerkennt, keine kriegerischen, sondern Befriedungswerte zu hegen – ein grundlegender Bestandteil des demokratisierten Gemeinwesens, der hinter keinem anderen zurückstünde”(S.313f). Da es für die meisten Staaten keinen Anreiz gäbe, einen Angriffskrieg zu führen, könnten Regierungen und “Friedensorganisationen”(S.314f) ihre Gegnerschaft auch aufgeben.

Die Hegung der Befriedungswerte steht nach Giddens in Beziehung zur Geschlechterfrage und zu patriarchalischen Strukturen. Er zeichnet hier eine Entwicklung von der Vormoderne über den “Tradition in der Moderne”- Kompromiss (vgl. S.320) der einfachen Moderne bis zur reflexiven Moderne nach. “In vormodernen Kulturen wurde das Patriarchat nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen aufrechterhalten, und Frauen brachten ihre Sanktionen zum Einsatz gegen diejenigen, die die Regeln verletzten. Die Kontrolle der Gewaltmittel lag allerdings in den Händen der Männer. Als letzter Ausweg war Gewaltanwendung im Rahmen des Patriarchats ein bedeutungsvoller Sanktionsmechanismus ohnegleichen”(S.318).  “…, doch im 18. und 19. Jahrhundert nahmen manche Überbleibsel der sittlichen Grundlagen des Patriarchats eine neue Gestalt an. Um es knapp zu formulieren: die Legitimation des Patriarchats beruhte auf der erneuten Trennung zwischen der tugendhaften Frau und der Hure, die den Sanktionen des Staates unterworfen wurde, während der Tugendhaften die besonderen rechtlichen und moralischen Hilfen der ‘normalen Familie’ zugute kamen” (S.320).  Die männliche Sexualität als etwas Selbstverständliches und die weibliche als die geheimnisvolle bis unheimliche. “Der umfassende Eintritt der Frauen ins Arbeitsleben führte zusammen mit der allgemeinen Demokratisierung und der voranschreitenden Umgestaltung der Familienformen zu einer durchgreifenden Änderung des für die einfache Modernisierung kennzeichnenden ‘Tradition in der Moderne’ – Kompromisses. Durch Gewalt einiger Männer gegen andere lässt sich das Patriarchat nicht mehr verteidigen. Um zerfallende Systeme der patriarchalischen Macht zu stützen, greifen die Männer (bzw. manche Männer, wie man wohl sagen muss) direkt zur Gewalt gegen Frauen, und in ebendiesem Sinne könnte man heute von einem Krieg gegen die Frauen sprechen. Dieser ist kein Ausdruck traditionaler patriarchalischer Systeme, sondern eine Reaktion auf deren partielle Zerrüttung”(ebd.). “Vom Standpunkt des utopischen Realismus ist die Überwindung der Männergewalt gegen Frauen abhängig von den strukturellen Veränderungen, die heute die Berufsarbeit, die Familie und den Staat sowie die daraus hervorgehenden Möglichkeiten betreffen – und dies alles in Verbindung mit der Ausbreitung der dialogischen Demokratie”(ebd.).

Aber was heißt das denn, wenn Männer auch einmal zu ihren Gefühlen stehen  können dürfen sollen? Das Verhältnis zwischen männlicher Sexualität und Aggressivität im Allgemeinen müsste hier wohl etwas genauer bestimmt werden. Die Frage, ob man aggressiv ist, wird meist von Leuten gestellt, deren eigenes Tun nicht hinterfragt werden soll. Sagt man “nein”, fühlen sie sich sicher. Ein”Ja” erübrigt sich, denn dann hätte man die Kommunikation schon abgelehnt. Inwiefern stellt diese Frage also eine Belästigung dar? Muss eine Notwehr- Reaktion angemessen sein? Das nur als Anekdote am Rande.

“Die dialogische Demokratisierung ist weder eine Erweiterung der liberalen Demokratie noch gar deren Ergänzung. Insofern sie jedoch überhaupt vonstatten geht, schafft sie Formen des sozialen Austauschs, die beträchtlich, vielleicht sogar entscheidend zur Neugestaltung der sozialen Solidarität beitragen können. Bei der dialogischen Demokratie handelt es sich nicht in erster Linie um die Ausbreitung der Rechte oder die Vertretung von Interessen. Vielmehr betrifft sie die Förderung des kulturellen Kosmopolitismus und bildet einen maßgeblichen Baustein jener Verbindung von Autonomie und Solidarität, von der weiter oben die Rede war”(S.159). “Durch ihre Stellung im Rahmen der Globalisierung und der sozialen Reflexivität regt die dialogische Demokratie dazu an, im Bereich des liberaldemokratischen Gemeinwesens die Demokratie zu demokratisieren“(ebd.).

Giddens knüpft hier beim Konzept der “deliberativen Demokratie” an, macht aber Unterschiede zu dem Ansatz von Habermas deutlich: “Im Gegensatz zu Habermas gehe ich nicht davon aus, dass diese Art der Demokratisierung schon im Sprechakt oder im Dialog angelegt ist. Getragen wird das Potenzial für dialogische Demokratie vielmehr von der Ausbreitung der sozialen Reflexivität als einer Bedingung alltäglicher Aktivitäten und des Bestands größerer Formen kollektiver Organisation. Zweitens is die dialogische Demokratie nicht unbedingt auf die Herstellung eines Konsenses bedacht”(S.163). Der öffentlich geführte Dialog soll ein Mittel bereitstellen, “um im Verhältnis gegenseitiger Toleranz mit dem anderen im Nebeneinander zu leben, … “(ebd.). Obwohl mit Hilfe der dialogischen Demokratie den Bedingungen einer reflexiven Gesellschaftsordnung Rechnung getragen werden soll und sie damit das Gegenteil von jeglicher Form von Fundamentalismus abgeben soll, nimmt Giddens nicht an, dass “alle Spaltungen oder Konflikte durch einen Dialog überwunden werden können”(ebd.). Auch müsse der Dialog nicht stetig geführt werden. “Vielmehr sollte der Dialog im Sinne der Fähigkeit begriffen werden, durch Einsicht in die Integrität des anderen aktives Vertrauen zu schaffen. Vertrauen ist ein Mittel zur Ordnung sozialer Beziehungen in Zeit und Raum. Es trägt jenes ‘notwendige Schweigen’, das einzelnen oder Gruppen die eigene Lebensgestaltung und gleichzeitig die Existenz in einem sozialen Verhältnis zu einem oder mehreren anderen gestattet”(ebd.).

Giddens setzt nun an der Trennung von Staat und Zivilgesellschaft an (“einer der Hauptleistungen der liberalen Demokratie”, S.164), hält die “Erneuerung der Zivilgesellschaft”(S.174) aber nicht für einen eigenständigen Königsweg zur Herstellung neuer Solidaritätsbeziehungen, da 1. die Zivilgesellschaft ein – nun durch die Globalisierung in Frage gestellter – Aspekt der staatlichen Zentralisierung war, “eine Reihe wiedererfundener Traditionen”(S.175), 2. die Erneuerung der Zivilgesellschaft mit dem Erstarken fundamentalistischer Strömungen und  aufgrund des Fehlens von äußeren Feinden mit Auflösungstendenzen im Inneren verbunden sein kann, und 3. es zu Spannungen zwischen der Erneuerung der Zivilgesellschaft und der Demokratisierung kommen kann (die Solidarität könnte sich nur auf direkte Bezugspersonen und nicht auf die anderen Mitbürger erstrecken). Sein Königsweg ist der Übergang zu “aktiveren Vertrauensmechanismen”(S.176).”Das Problem der sozialen Solidarität muß vor dem Hintergrund des Verschwindens des ‘kulturellen Segmentalismus’ betrachtet werden, also jenes kulturellen Kosmopolitismus, der sich durch geographische Trennung erhalten hat. In einem segmentalen System funktionieren lokale Gemeinschaften durch Ausschließung, die Unterscheidung zwischen Zugehörigen und Außenstehenden. Ferner beruhen sie auf den oben genannten infrastrukturellen Traditionen der Familie und der Geschlechterrollen”(S.177).

Die Rückkehr zum kulturellen Segmentalismus würde bedeuten, dass die Wahrscheinlichkeit des sozialen Verfalls zunehmen würde. “Zu einer wirksamen Erneuerung der sozialen Solidarität kann es nur kommen, wenn zugleich auch Autonomie und Demokratisierung sowie der aus sozialer Reflexivität sich ergebende Einfluss anerkannt werden”(S.177). Dafür müssten nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten festgelegt werden. Durch Pflichten soll den Bedürfnissen der anderen Rechnung getragen werden und sie dienen der langfristigen Aufrechterhaltung von Bindungen. Nach Giddens scheinen aktives Vertrauen und Pflichten in dem, was sie ausmacht, verschränkt zu sein.  Beim Vertrauen gilt der andere als jemand, “auf den man sich verlassen kann, und daraus, dass man sich auf ihn verlässt, entsteht eine wechselseitige Verpflichtung”(S.178). “Pflicht, die auf aktivem Vertrauen beruht, beinhaltet Wechselseitigkeit. Pflichten sind bindend, weil sie  beidseitig gelten, und ebendas verleiht ihnen Autorität”(ebd.). “In einer posttraditionalen Ordnung beruht das Vertrauen in persönliche Beziehungen auf der Voraussetzung der Integrität des anderen. Vertrauen fußt auf einer ‘positiven Spirale’ der Unterschiede”(S.177). “Durch Pflichten werden Beziehungen insoweit stabilisiert, als die Bedingung der beiderseitigen Integrität erfüllt ist” (S.178). Hier geht es um den Kontext der persönlichen Beziehungen und wie hier aktives Vertrauen geschaffen werden kann. Den ersten der noch zu behandelnden relevanten Kontexte. Das scheint auch alles soweit ganz richtig. Aber was heißt das für die konkrete Politik? In welcher Form und Intensität kann das Prinzip “nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten”  auf die Situation der Arbeitslosen angewandt werden? Was kann das wage “nicht nur Fördern, sondern auch Fordern” bedeuten? Eigentlich geht es hier ja nicht um persönliche Beziehungen. Oder entstehen diese allein schon durch die Abhängigkeit von den Steuergeldern der zufriedenen Mehrheit, in deren familiale Mitte man somit virtuell aufgenommen wird? Was bedeutet das für das in der Gesellschaft herrschende Bild des mündigen Bürgers? Ist es nicht eher vielleicht sogar sinnvoll, davon auszugehen, dass es persönliche Beziehungen virtuell zwischen allen Mitgliedern der Gesellschaft gibt, bevor überhaupt der Einzelne in seiner wie auch immer produktiven Stelle im gesellschaftlichen Zusammenhang von dieser eingekreist werden kann und er sich fragt: “wofür?” und keine Antwort erhält, die an ihn persönlich gerichtet werden kann.

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Muss die Gesellschaft nicht erst einmal im gegenseitigen Vertrauen geerdet werden? In der Weise: wenn ich arm bin und du bist reich, gibst du dann einen Scheiß auf mich? Das Geld, das sich auf der einen Seite anhäuft, dürfte auf der anderen Seite nicht fehlen. Das würde bedeuten, dass es trotz Einkommens- und Vermögensunterschieden keine Arbeitslosigkeit geben würde und also auch keine vom Sozialstaat Abhängigen. Das Problem betrifft also zuallererstdie soziale Solidarität und man darf sich fragen, wieso das nicht funktioniert. Es betrifft auch den gesellschaftlichen Zusammenhang, dessen Einheit für sich Autarkie bedeutet, dass es durch ihn also Grenzen gibt, in denen sich ein natürlicher Gleichgewichtszustand einstellen würde, den man von außen nur stören würde. Wenn es ihn nicht gibt, liegt das daran, dass der Staat nicht auf die Einhaltung der “Bedingung der beiderseitigen Integrität” achtet? Ein durchaus wichtiger Aspekt ist anzusprechen. Ich meine, dass hier auch Ungleichgewichte durch die Migration entstanden sind, die aus Gründen der politischen Opportunität hingenommen werden, sodass es auf der Landkarte der sozialen Solidarität eine ziemliche ausgedehnte terra incognita gibt. Es muss zurückgegangen werden auf die Motive, die zur massenhaften Immigration geführt haben und deren Legitimität sacrosanct hingenommen wird, da man die fremden Menschen und ihre Verschiedenheit von uns nicht ablehnt. Aber gehören sie denn  zu uns und wenn ja, warum denn? Es ist nichts, was das Volk von sich aus gewollt haben könnte und doch ist es von ihm betroffen. Der Staat hat sich die Gewalt genommen, die Zusammensetzung des Volkes – erst im Nachhinein legitimiert – zu verändern. Und wenn der Staat und das Volk etwas verschiedenes sind, sorry, aber dann darf das nicht sein und es ist nicht am Volke, das zu verändern, sondern an dem Staat und die fremden Menschen dabei keine Ungerechtigkeiten erleiden zu lassen (Gleichbehandlung). Wieso hier in Deutschland z.B. Millionen von Türken leben, obwohl es die Türkei und einen durchaus leistungsfähigen türkischen Staat gibt, das ist wohl nur der politischen Eitelkeit des deutschen Staates zuzuschreiben, der so sagen kann (wenn er es könnte), dass er über noch ein paar mehr Menschen “herrscht” und auch über “Türken”. Auch religiöse Unterschiede spielen eine Rolle. Islam und Judentum besitzen durchaus ein Bewusstsein von der Differenz der Monotheismen. Das geht im Islam so weit, dass es prinzipiell erlaubt ist, Nichtmuslime zu töten, wenn es dem Islam nutzt. In der Tat werden dadurch die Muslime nicht zu Mördern. Aber wie kann hier ehrlicherweise auf breiter Basis (so, dass es allen nutzt, zwischen allen Menschen) ein tiefverwurzeltes Vertrauen entstehen, sodass man ohne Einschränkung sagen kann, dass man eine Schicksalsgemeinschaft  bildet? Der Punkt dürfte klar sein. Bei den Juden ist es prinzipiell erlaubt, diejenigen Völker auszurotten, die sich auf dem den Kindern Israels von Gott versprochenen Land befinden; doch die Jungfrauen (die nur ihre Weiblichkeit als Eigenheit mitbringen) könnte man sich nehmen. Was meines Erachtens der Erlaubnis der Vergewaltigung und dem Gebot der Entfremdung gleichkommt. Auch hierdurch werden Juden in der Tat nicht zu Vergewaltigern. Aber wieder kann gefragt werden, was das für die “Bedingung der beiderseitigen Integrität” bedeutet. Der Zorn des eifersüchtigen Gottes darf nicht erregt werden, die Kultur, die auf seiner Anbetung beruhen soll, nicht in Unruhe versetzt werden. Doch die Mittel dazu können keine Moral begründen und wenn das fremde Leben geschont wird, dann höchstens für die eigene Kultur. Dass die Problemlösungsmittel sich nicht von den Problemen unterscheiden, ist das große Problem der jüdischen Kultur, das selber durch Fiktionalisierung supendiert wird. Ein Ausweg, der dem Christentum durch den Tod von Jesus Christus verstellt wird.

Ein weiterer wichtiger Punkt muss erwähnt werden. Der Islam offen und das Judentum verborgen stellen Kollektive mit Drohpotential dar, was man vom Christentum evangelischer und katholischer Prägung innerhalb von Europa heutzutage nur in absoluter Latenz sagen kann. In einer individualisierten Gesellschaft der Mitstreiter kann der Einheimische dann auch schon einmal alleine dastehen und muss sich im schlimmsten Falle “totstellen”, welcher Fall mal empirisch auf seine Häufigkeit und seine Ausprägungen untersucht werden müsste. Das obige prinzipiell Erlaubte könnte dann den hier lebenden Muslimen und den Juden allein schon durch ihre Anwesenheit Gratifikationen verschaffen, da sie sich im “Angreifer”-Status befinden. Deshalb ist abzusehen, dass sich Muslime und Juden hier eher miteinander arrangieren als das zwischen den muslimischen Staaten und dem jüdischen Staat der Fall sein wird. Die Unterschiede zwischen dem gewohnheitsmäßigen Verhalten von hier lebenden Türken und den in der Türkei lebenden Türken (“blumiger”) wurden schon oft beschrieben. Ich habe hier nur die Türken als Beispiel gewählt, weil sie nun einmal die größte Gruppe aus einem nichteuropäischen Kulturkreis darstellen. Dass man zuerst für sein eigenes Volk eintritt, halte ich für natürlich. Ein Volk braucht nicht mehr als eine Heimat, die aber ganz sicher. Das Genannte betrifft denn auch in erster Linie nicht Angelegenheiten zwischen den Völkern, sondern in den Völkern. Der aufgeklärte Muslim weiß, dass es ihm nicht gestattet ist, sich Christen zu Beschützern zu nehmen. Der aufgeklärte Jude weiß, dass das, was die Deutschen in einer bestimmten Zeit glaubten, tun zu müssen, um zu beweisen, dass sie einen einheitlichen Volkszusammenhang bilden, nicht vom Himmel gefallen ist. Die Gegenseitigkeit ist also hier schon immer gegeben, in der Konstitution der Verschiedenheit der Kulturen angelegt. Es ist gerade die Würde der muslimischen Menschen, nicht “integriert” zu werden. Und es ist gerade die Ruhe der jüdischen Menschen, dass sie nicht integriert werden brauchen. Die Gratifikationen, von denen ich sprach, können deshalb auch im Endeffekt keinen eigenen Wert besitzen. Es ist querlaufende Rationalität. Deshalb müssen Strukturen geschaffen werden, die das verhindern. Innere Barrieren gegen die Rückkehr müssen abgebaut werden und nicht erhöht werden. Die Menschen müssen in ihrer Eigenheit akzeptiert werden und es müssen Brücken in ihre Heimat geschlagen werden. Die Anpassung auf Teufel komm raus geht auch auf unsere Kosten.

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Es geht hier nicht um Sachen, die vom Volk ausgehen: es den Leuten schwer zu machen, dass sie sich endlich verpissen. Sondern es geht um staatliche Maßnahmen, die der Legitimität bedürfen. Der Sozialstaat muss dabei dazu eingesetzt werden, sich selbst überflüssig zu machen. Dafür ist er das ausgezeichnete Mittel.  Die Unterscheidung Staat und Volk ist hierfür genügend scharf und muss nicht extra scharf gemacht werden. Wir sind nicht Bürger des einzigen oder eines irgendwie besonderen Staates. Die anderen können es genauso gut (oder schlecht) machen wie wir. Stimm(t)en die Gründe, weshalb die Immigranten in unser Land kamen bzw. kommen, mit unseren Gründen des Zusammenlebens überein? Können sie das überhaupt? Es sollten noch nicht einmal Abschiebungen erforderlich sein, sondern nur der Vergleich ihrer eigenen Möglichkeiten hier und dort. Da es aber gerade um den natürlichen Abbau des Sozialstaates (seine Unnötigkeit) gehen muss, heißt das auch, dass es keine Transferzahlungen außer der Rückzahlung (inkl. Verzinsung) des noch zustehendem bereits Eingezahlten mehr geben darf. Menschliche Härten soweit wie möglich zu vermeiden, versteht sich von selbst. Aber prinzipiell muss es so laufen. Alles andere verstetigt nur ein korruptes System und verringert den allgemeinen Nutzen. Wenn es unten um den Sozialstaat geht, werde ich noch eine eigene Systematik dazu vorlegen.

Das Recht, das der Islam den Muslimen gegenüber Nicht-Muslimen im extremsten Fall einräumt, ist im Prinzip das Recht des Herrn über den Sklaven, und das Recht, das die Thora den Juden im extremsten Fall gegenüber Nicht-Juden einräumt, ist im Prinzip das Recht des Herrn über den Leibeigenen. Wir leben aber weder im Altertum noch im Mittelalter und schon gar nicht auf der Seite der Unfreiheit. Wie sieht es im ersten Fall mit der Ehre aller (also auch der der Muslime) und im zweiten Fall mit der Würde des Anderen (also auch der des Juden) aus. Der Islam widerspricht sich also nur dann nicht, wenn er auf sein eigenes Territorium beschränkt bleibt. Von jeder u.a. in Deutschland gebauten Moschee wird eine imaginäre Linie direkt zu Mekka gezogen.  Daraus ergibt sich, dass es u.a. Deutschland für die Muslime überhaupt nicht gibt. Dass dadurch keine Integration gefördert werden kann, ist sofort einsichtig. Wie ist eine Politik, die sich der Dialektik von Integration und Nicht-Integration verschreibt, einzuschätzen? In meiner Theorie der ethischen Disjunktion von Komplexität und Simplexität gibt es so viele verschiedene Ethiken wie verschieden denkbare Menschen  und der Islam bildet insgesamt einen Zusammenhang, ob es die Muslime nun (sagen) wollen oder nicht. Wenn es vielleicht auch nur fremdbestimmte (verhängnisschwangere)  Reflexe waren, worauf zielten die Tötungsabsichten am 9/11? Wirklich in erster Linie auf Menschen? Meiner Ansicht nach konnten sie die Menschen hinter den Fassaden gar nicht sehen und um  sie sehen zu können, haben sie sich so schnell angenähert, dass sie kollidiert sind. Die Probleme, die in einer Kultur vorkommen, gibt es prinzipiell auch in einer anderen. Und die islamischen Terroristen fühlten sich zu keiner Kultur mehr zugehörig. Sie konnten ihre Probleme nicht mehr in ihrer Kultur lösen. Der Selbstmord löscht alle Bindungen an die Welt aus, also auch den Gedanken an die Opfer des Selbstmordattentats. Sie suchten Gnade und fanden das Verbrechen. Das Judentum widerspricht nur dann nicht sich selbst, wenn es sich auf das Eigentum beschränkt.

Giddens macht vier miteinander zusammenhängende Bereiche außerhalb der offiziellen Politik aus, wo die dialogische Demokratie voranschreitet. Das Geschehen in diesen Bereichen wirkt auf die orthodoxe Politik zurück. Giddens spricht hier von Demokratisierungstendenzen, “die aber gleichzeitig von grundlegenden Dilemmata, Schwierigkeiten und Gegentendenzen begleitet sind”(S.165). Diese vier Bereiche sind die “Arena des persönlichen Lebens”(S.165), soziale Bewegungen und Selbsthilfegruppen, “die Arena der Organisationen” (S.171) sowie die umfassendere globale Ordnung. Die hier sich abzeichnenden Demokratisierungstendenzen bezieht er nun auf ihre allgemeinen Kontexte, in denen die Demokratisierung dazu führen könnte, die soziale Kohäsion zu stärken (bei gleichzeitiger Vermeidung von Konflikten und Isolierungen, vgl. S.178). Der Kontext des persönlichen Lebens sind die persönlichen Beziehungen und dort kann aktives Vertrauen geschaffen werden, wenn es zu einer wechselseitigen Verpflichtung auf der Grundlage von Integrität und Kommunikation kommt.  Der Kontext von sozialen Bewegungen und Selbsthilfegruppen sind die abstrakten Systeme und dort kann aktives Vertrauen durch soziale Sichtbarkeit und ausgehandelte Verantwortlichkeiten geschaffen werden. Der Kontext von Organisationen ist der Staat und aktives Vertrauen kann hier durch den zivilen Zusammenschluss geschaffen werden. Giddens setzt hier explizit bei Oakeshott und Dewey an. Es geht hier um den Respekt vor der Autonomie des Anderen (vgl. S.181) und die positive  Bewertung der Unterschiede (vgl. S.182). Kosmopolitismus wäre dann nur eine “Art von globaler Ausbreitung des zivilen Zusammenschlusses” (ebd.). Wobei wir auch schon beim letzten Kontext wären (es baut aufeinander auf): der Kontext der umfassenderen globalen Ordnung sind die globalen Ordnungen und hier kann durch kosmopolitische Kommunikation aktives Vertrauen geschaffen werden. Der dritte Punkt scheint besonders erklärungsbedürftig zu sein, denn  wie ist es möglich, im Kontext von Organisationen (Giddens bezieht sich insbesondere auf Großkonzerne) Vertrauen durch den zivilen Zusammenschluss von Individuen zu schaffen. Aber dass so aktives Vertrauen im Staat geschaffen werden kann, ist schon eher klar und dass der Staat ein Kontext der Organisationen ist, ist ebenfalls einzusehen. Außerdem muss man, um aktives Vertrauen im Kontext von Organisationen zu schaffen, notwendigerweise die Menschen ansprechen, die lebendigen Wesen, deren Skills die Organisation am Laufen halten. Hier gibt es also auch keine größeren Widersprüche und es passt u.a. zum Diktum der Systemtheorie Luhmannscher, anti-humanistischer Prägung, die Menschen außerhalb der aus Kommunikation bestehenden sozialen Systeme ansiedelt. Die Demokratisierungstendenzen, die Gidddens in den Organisationen der Großkonzerne ausmacht, betreffen denn auch die quasi-emanzipatorische Erweiterung von Entscheidungskompetenzen in einer dezentraleren Organisationsstruktur, wodurch der Handlunsautonomie auf allen Ebenen Rechnung getragen werden soll. “Organisationen, die im Hinblick auf aktives Vertrauen strukturiert werden, geben mit Notwendigkeit auch Verantwortung ab und sind abhängig von einem ausgedehnten Dialograum”(S.172).

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt in diesem Buch liegt auf dem Sozialstaat und dem Begriff “Wohlfahrt”. Nach Giddens gibt es drei strukturelle Grundlagen des Sozialstaates: die Förderung der “industria” im Sinne der betriebsamen Tätigkeit, die Förderung der nationalen Solidarität und die Bewältigung von Risiken in Form einer Sozialversicherung. Alle drei Bereiche wurden durch Ereignisse im letzten Jahrhundert zusammengeschweißt – exemplarisch: durch den zweiten Weltkrieg. Giddens stimmt hier mit der These von Goodin und Le Grand überein, dass die Zivilbevölkerungen von dem totalen Krieg in eine Ungewissheit gestürzt worden sind, aus der man mit der Überzeugung herauskam, dass die Risiken gemeinsam zu tragen sind, “denn die Bomben fielen schließlich allen auf den Kopf”(S.190). Vorurteile von und gegenüber Interessengruppen werden dadurch weggewischt. Wenn diese Erinnerung verblasst, vielleicht sogar aus der kollektiven Erinnerung verschwindet, kann das die Ursache für das Ende des Sozialstaates der “Nachkriegszeit” sein. Die Probleme, denen sich der Sozialstaat gegenübersieht, betreffen alle drei strukturellen Grundlagen. Die Förderung der betriebsamen Tätigkeit hatte als Bezugspunkt die feste,  ganztägige Arbeit des männlichen Haushaltsernährers. Die Bedingungen hätten sich geändert durch das vermehrte Drängen von Frauen auf den Arbeitsmarkt und die Diversifizierungen der auch zeitlichen Organisation der Arbeitsformen. Die Förderung der nationalen Solidarität setzte an stabilen Verhältnissen an, in denen der eigene Platz in der Gesellschaft nicht willkürlich wählbar war  bzw. wo diese Illusion noch nicht erzeugt werden konnte. Giddens setzt hier bei dem Klassengedanken an. Dieses (historische) Konstrukt braucht er hier noch, um den Unterschied deutlich zu machen. “Früher bestanden verschiedene Verbindungen zwischen der Zugehörigkeit zu einer Klasse und gemeinschaftlichem Erleben und Handeln. Einer dieser Verbindungen ergab sich aus der räumlichen Abgegrenztheit und der gemeinsamen Berufserfahrung im lokalen Bereich. Viele dieser traditionellen Zusammenschlüsse – insbesondere Zusammenschlüsse der Arbeiterklasse – sind seither in die Brüche gegangen”(S.197). Die reflexive Modernisierung unter den Bedingungen einer Globalisierung schafft nun die Möglichkeiten für eine solche Illusion und lässt auch die Vorteile vergessen, die das Sozialstaatsarrangement mit sich brachte.  Nach Giddens haben die Mittelschichten mehr vom bürokratischen Sozialstaat profitiert als die Ärmeren, deren Armut durch die allgemeine Zunahme des Reichtums gelindert wurde (vgl. S.205). Nun aber, wenn “man in zahlreichen Lebenssituationen keine andere Entscheidung hat als zu entscheiden, können zentral organisierte Umverteilungssysteme durchaus als Verletzung der Autonomie angesehen werden, auch wenn sie materiellen Gewinn bringen. Umgekehrt scheinen diejenigen, die ein durch solche Systeme ermöglichtes Leben einfach hinnehmen und wie bisher weitermachen, die Übernahme von Verantwortung zu verweigern, die andere sich aufladen”(S.196). Ein Sozialversicherungssystem als Riskobewältigungseinrichtung ist auch dann nicht mehr glaubwürdig, wenn keine Brücken mehr zu den Empfängern von Transferleistungen geschlagen werden können. “Die Menschen werden abhängig von Versorgungssystemen, denen sie fremd gegenüberstehen und auf die sie kaum Einfluss haben. Da nimmt es nicht wunder, wenn sie diese Einrichtungen durchaus zu ihrem privaten Vorteil nutzen und nicht im geringsten dankbar sind für die Leistungen von seiten der Gesamtgesellschaft. Ihre Abhängigkeit von der Gemeinschaft geht nämlich einher mit dem Ausschluss von der uneingeschränkten Teilnahme an dieser Gemeinschaft”(S.202f). Giddens hebt aber einen anderen Punkt der Sozialversicherung hervor, indem er von Risikoumverteilung spricht, widerspricht sich aber dabei selber. Die Risikoumverteilung ist nach ihm “der Bereich, in dem die Erfolge des Sozialstaats am deutlichsten geworden sind.  Was die Sozialsysteme wirklich geleistet haben, ist eine Ausbreitung der Sozialversicherung vor allem auf den gesamten Lebenszyklus”(S.205). Dieser bedeutsame Fortschritt “setzt jedoch voraus, dass die Risiken in relativ stabiler Weise auf die Gesellschaft verteilt sind. Außerdem ist dabei unterstellt, dass Risiken entpolitisiert oder dadurch bewältigt werden können, dass man sie ‘in Schach hält’[Janicke]. In einer Zeit der reflexiven Modernisierung wird diese Aufgabe allerdings sehr viel schwieriger. Das hergestellte Risiko steht zum menschlichen wie zum natürlichen Handlungsumfeld in instabiler Beziehung”(S.205f). Was bedeutet es, wenn Risiken “in relativ stabiler Weise auf die Gesellschaft verteilt sind”? Sind es dann noch Risiken und kann man dann noch von Umverteilung sprechen? Braucht es dann überhaupt noch eine Umverteilung oder kann man hier doch von generalisierter Vorsorge sprechen? Wird hier Widersinn zu Unsinn? Giddens setzt etwas voraus, was gerade durch die Risikoumverteilung erst erreicht wird. Diese Stabilität gab es vorher gar nicht und sie gibt es nur wegen der Risikoumverteilung. Denn sie hält die ungleichen Lagen durch ein quasi-kybernetisches Interventionssystem konstant. Und in Schach halten muss man auch nur etwas, was ausbrechen kann. War das in Zeiten der einfachen Modernisierung der Fall? Wenn es etwas gab, das ausbrechen konnte, konnte man es sicher nicht ‘in Schach halten’. Entpolitisieren muss man auch nur Risiken, die eine politische Komponente mit sich führen. Und tun sie das, kann man sie dann “entpolitisieren”? Ich meine, dass hier Giddens nicht weiß, wovon er spricht.

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Giddens besetzt den Begriff des Produktivismus negativ und den der Produktivität positiv. Der Sozialstaat ist im Produktivismus verankert. Solange es ein (genügend großes) Wirtschaftswachstum gibt, bereiten die Sozialstaatsabgaben keine Budgetprobleme. Der Produktivismus ist in eingebürgerte Muster und Gewohnheiten des Lebensstils “verstrickt” (S.229), vor allem bei der Trennung der Geschlechterrollen. Es existiert im Produktivismus noch ein institutioneller Zusammenhang, der es erlaubt, die Risikobewältigung als etwas weitgehend Externes zu behandeln. “Die Ausbreitung der reflexiven Modernisierung plaziert das Individuum in einer ganz neuen ‘Entscheidungsmatrix’ und sorgt, damit zusammenhängend, dafür, dass im Inneren der Institutionen der modernen Gesellschaften eine Reihe miteinander verbundener Spannungen entsteht. Diese Spannungen verlaufen entlang den Verbindungslinien zwischen vier institutionellen Bereichen, die der Enttraditionalisierung ausgesetzt sind und zusammen eine diamantförmige Struktur bilden”(S.230). Diese vier institutionellen Bereiche betreffen die Arbeit, die Familie, die Generationen und das Geschlecht. Zwischen all diesen Bereichen  bestehen gegenseitige Verbindungen. Aufgezeichnet haben wir also die Bereiche in den vier Ecken. Und um alle Verbindungen geometrisch zu realisieren,  müssen auch noch zwei Verbindungslinien im Inneren des dadurch entstandenen Vierecks  gezeichnet werden. Diese Struktur mit sechs Linien sieht dann ungefähr aus wie ein Diamant. Diese Bezeichnung macht aber natürlich nur Sinn, wenn von dieser Struktur angenommen wird, dass sie hart wie ein Diamant ist, dass sie die zukünftigen Zustände dauerhaft bestimmt. Geht es hier also um Werte? Und wie verhalten sich die Verbindungen dieses Diamanten zu der Unterscheidung Links/Rechts? Als beispielhafte Kategorie führt Giddens kurioserweise das Alter an, bezieht sich damit auf die Sterblichkeit und die Tatsache, dass nichts im menschlichen Leben von Dauer ist, es selber auch nicht, sondern schon aufgesogen durch die Zeitlichkeit (meine Formulierung).

Bezüglich der Alterskategorie werden also diese vier Eckpunkte und ihre Verbindungen relevant. Es geht immer darum, das Alter nicht als Problem zu sehen, sondern die sich eröffnenden Chancen. Es ist nur die Frage, ob dieser Diamant, von dem man nur die eine Oberfläche sieht, der keine Tiefe hat, hier hilft, da nur ein Feld aufgemacht wird, dessen Elemente alle miteinander verbunden sind. Wo ist der analytische Vorteil benannt? Dass die vier Eckpunkte bedeutsam sind und zusammenhängen, ist ohne weiteres einsichtig. Aber man dürfte dann nicht gleich vom Abstrakten zum Konkreten springen, sondern Wege müssten sich schon in diesen vier Eckpunkten zeigen, wobei der Eckpunkt der Arbeit mir gegenüber den anderen ein besonderer zu sein scheint. Allgemein soll nach Giddens bei der Betrachtung des Alters nicht mehr ein linearer Lebensplan vorausgesetzt werden, sondern eine Politik der zweiten Chancen betrieben werden. Giddens sieht die Vielfalt und man fragt sich, ob hier der Konzeptualisierung die Dekonzeptualisierung gegenübersteht. “Was womöglich bloß wie ein Zerfallsprozess aussieht, der sozialstaatliche Probleme aufwirft, ist vom Standpunkt der erfinderischen Politik wieder ein Feld, das nur so schwirrt von Möglichkeiten zur Neugestaltung der Familiensolidarität”(S.234). Das Alter kann aber auch erst einmal für sich betrachtet werden und dann geht es überhaupt nicht um die Menschen, denen das Alter vielleicht spürbar zu schaffen macht, sondern um es allgemein und dann muss ein Lebensplan, der mit dem Gebrechen rechnet, von einem Lebensplan unterschieden werden, der das enthält, was man sich vornehmen kann. Und das Interessante wäre dann hier auch die Überschneidung dieser beiden Pläne. Die Frage “wie kann ich alles erreichen, was ich will?” muss gerade verbunden werden mit der Frage “was passiert, wenn ich sie nicht erreiche?”. Die Verbindung dieser zwei Fragen bedeutet eine Aufsplittung bezüglich Zielen und der Zeit, in der sie erreicht werden können. Dadurch stellen sich automatisch Budgetfragen, die also rational behandelbar sind und den gegebenen Umständen entsprechend interpretiert werden müssen. Es gibt also nur erste Chancen und nicht zweite Chancen. Es ist eine “Politik der ersten Chancen” nötig. Es wiederholt sich nichts und wenn sich etwas wiederholt, ist der Zustand schon eingetreten, der vermieden werden sollte. Die Beziehungen der Familienkategorie zu der Geschlechtskategorie und der Generationenkategorie können auch erst einmal allgemein bestimmt werden. Die Geschlechtskategorie ist der Familienkategorie immanent. Die Generationenkategorie verweist auf ein Innen und Außen der Familie, wodurch wieder die Geschlechtskategorie ins Spiel kommt. Hegel hat hierzu einiges in der “Phänomenologie des Geistes” zu sagen. Das Synthetische scheint beim Diamanten gerade die Grenze des Analytischen zu sein und das Synthetische die Brücke zum Analytischen.

Jetzt soll die oben versprochene Systematik bezüglich des Wesens des Sozialstaates und der innergesellschaftlichen Solidarität knapp dargelegt werden.  Viele (wenn nicht die meisten) halten die Einstellung der Transferzahlungen nicht für durchführbar, weil ja gefragt werden kann, wer davon alles betroffen ist. Schließlich haben viele Immigranten ja sogar schon die deutsche Staatsbürgerschaft erworben und sind ein wertvoller Teil der Gesellschaft. Und zu einer Blut-und-Boden-Politik wolle keiner mehr zurück. Zurück will ich auch nicht, zurückgucken aber schon. Sie erliegen einem Irrtum. Sie verlangen eine ganz präzise Antwort, wobei hier die Antwort gerade einen mehrdeutigen Hintergrund haben darf. Man wird tatsächlich nicht als Deutscher eingewickelt in Schwarz-Rot-Gold geboren und doch besteht kein Zweifel, wenn die Herkunft angegeben werden soll. Und staatliche Akte können durchaus staatliche Akte rückgängig machen, wenn sie dem dem Staate seinem Wesen nach Zuzugestehendem widersprochen haben. Dann ist es gerade die Pflicht des Staates vergangene Entscheidungen rückgängig zu machen. Einerseits muss also geradezu ungenau vorgegangen werden und es kann auch ungenau vorgegangen werden, was die einzelnen Personen betrifft, weil der Vergangenheitsaspekt der Herkunft etwas Nichtrevidierbares beinhaltet. Andererseits muss genau vorgegangen werden, weil bürokratische Akte durch bürokratische Akte gegebenfalls zu revidieren sind. Natürlich kann man  das politisch auch gar nicht wollen, doch der Profusionismus in der von mir präferierten Art will das. Und da interessieren auch rein logisch schon keine Widerstände, die massiv sein können aufgrund der großen Zahl der hier beheimateten Menschen mit Migrantenhintergrund. Wie oben schon gesagt, es geht hier um die Abschaffung des Sozialstaates. Das ist die Leitschnur. Alle Ziele sollten nicht durch strafende Sanktionen und direkten Zwang, sondern durch Maßnahmen erreichbar sein, die an den Mitteln ansetzen, die der Staat “bereitstellt” bzw. dann nicht “bereitstellt”. Wiederum kann aber gesagt werden, dass in Folge der Migration schon viele Kinder und Menschen mit Herkunft aus verschiedenen Kulturen bei uns, unter uns und mit uns leben. Aber auch hier ist dann die Herkunft klar und der deutsche Elternteil wäre dann der primäre Bezugspunkt und nicht das Kind selber. Hier bestehen gar keine Schwierigkeiten und es ist gar keine Rafinesse erforderlich, die das System unverständlich macht. Die Volkszugehörigkeit ist nun von der Staatszugehörigkeit zu unterscheiden. Die Volkszugehörigkeit haben wir durch die Herkunft erhalten. Die Staatszugehörigkeit erhalten wir durch die Hinkunft. Ein selten verwendetes Wort (in Österreich gleichbedeutend mit Zukunft). Wir wollen Zukunft nicht mit Hinkunft gleichsetzen, weil die Zukunft noch unbestimmt ist und Hinkunft von der Wortbedeutung her meint, dass man zu etwas Bestimmtem “hin kommt”. Hinkunft beinhaltet natürlich den Zukunfts-Aspekt. Aber er fügt ihm das Bestimmte hinzu, das sich durch das Zusammenleben der Menschen (mit verschiedenmöglicher Herkunft) und ihr exklusives Eingebundensein in Vorgänge auf dem Staatsterritorium ergibt. Alle Widerstände, die in dem aktuellen politischen System gegen auf diesen Unterscheidungen basierende Konzepte artikuliert werden und sich formieren könnten, stehen der “Macht der Zukunft” der Menschen gegenüber, die hier keine Kompromisse machen dürfen. Das genetische Material der Menschen reicht für eine Entwicklung, die ungefähr noch einmal so lang ist wie die, in der das jetzige entstanden ist. Dies sind die “important years”.  Der Unterschied von Zukunft und Hinkunft und die Bezüge Herkunft für die Volkszugehörigkeit und Hinkunft für die Staatszugehörigkeit dürften klar sein.

Die Systematik, die ich hier vorstellen will, betrifft denn auch aus Platzgründen nicht die Unterscheidungen bei Herkunft und Hinkunft, sondern die Systematik, aus der das, was Sozial- oder Wohlfahrtsstaat genannt werden kann, erwachsen ist. Dann wird klar, dass der Sowjetkommunismus nur ein illegitimer Ableger  desselben Vorgangs ist, ein Bastard, der von Anfang an die Thronrechte beanspruchte. Die folgende Tabelle zeigt diese Systematik vollständig auf. Die Zeilenkategorien betreffen die Größenmaßstäbe und die Spaltenkategorien die Härtenmaßstäbe.

Hier wird auf einen Zusammenhang von Politik, Wirtschaft und Kultur aufmerksam gemacht, der besonders in der Zeit des Nationalsozialismus evident war. Aber in der falschen Weise. Die Nazis konnten nur alles falsch machen und waren vielleicht trotzdem glücklich. Wir können es besser und müssen es anders machen. Die drei Begriffe, die diesen Zusammenhang konstituieren, sind von der Seite der Politik her der “Kampfstaat”, von der Seite der Wirtschaft her der “Arbeitsmarkt” und von der Seite der Kultur her  “die Liebesart”. Wir haben hier in der Mitte den Arbeitsmarkt, der also eingefügt ist in ein gesamtgesellschaftliches “Panorama”, das wesentlicher und sogar strikter Voraussetzungen im politischen und kulturellen Bereich bedarf. Der “Kampfstaat” besitzt Ziele, die die Interessen des Volkes artikulieren. Ich gehe dabei ganz dreist davon aus, dass sie im Falle des deutschen Volkes nicht Interessen anderer Völker zuwiderlaufen. Die “Geschichte” möchte mich eines anderen belehren. Die Grundlagen anderer Völker dürfen aber explizit nicht angetastet werden. Hier heiligt der Zweck nicht die Mittel, sondern an die Mittel will man ja gerade heran.

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Was aber nicht gemacht werden darf: in der Grundkonzeption gleich einen Ausgleich suchen, der der internationalen Ungleichheit Rechnung tragen will. Auf Mittel, die uns jetzt fehlen, können wir später nicht mehr aufbauen. Dann, wenn wir ethisch gesehen “besser” sein werden, könnten wir nur alt geworden sein. Wer dem Glauben an das Gute der eigenen Möglichkeiten widerspricht, widerspricht sich selber. Das tut Giddens teilweise und kennzeichnet einen gut Teil des Versagens der Schröder-Regierung. Der Kampfstaat darf also keine Abstriche beim Wohl des eigenen Volkes machen und ginge es ihm auch noch so gut im Vergleich zu anderen. Denn es ist nicht gesagt, dass, wenn wir Abstriche machen, es anderen dadurch besser geht, da Potentiale nicht einfach verlagert werden können, sondern ausgebaut werden müsssen. In der weltgesellschaftlichen Solidarität verliert eine Kultur nicht durch den Gewinn der anderen, sondern es wurde etwas hinzugefügt, was  dadurch allgemein wird. Ein neues Stockwerk, von dem alle nun die gleiche Landschaft bewundern können. Sie sind schon willkommen geheißen, ohne einziehen zu brauchen.

Bevor auf den Sozialstaat näher eingegangen werden soll, bespreche ich Giddens’ Programm der erfinderischen Politik zur Bekämpfung der durch das Projekt der Moderne erzeugten globalen Ungleichheit. Er gibt sich mit der Innenbetrachtung des Sozialstaates im nationalen Rahmen nicht zufrieden, sondern die Betrachtung der globalen Ungleichheit geht jener der nationalen sogar voran, wenn es um die Zukunft geht. Sein Programm umfasst zehn Punkte.

1. Reflexives Engagement: “Gemeint ist die Beschäftigung einheimischer sozialer Bewegungen und Selbsthilfegruppen mit den Kräften, die ihr Leben umgestalten”(S.217)

2. Schadensbegrenzung und Bewahrung als “rationale Reaktion auf die Destruktivität der Moderne”(S.218)

3. Fragen der Lebensführung sind ausschlaggebend für eine Politik der Emanzipation und nicht umgekehrt. “Der Kampf um Autonomie und Selbständigkeit ist zugleich ein Ringen um die Wiederherstellung der lokalen Mittel als des vorrangigen und mitunter einzigen Weges zur Vermeidung endemischer Deprivation und Verzweiflung”(S.218)

4. “Selbstvertrauen und Integrität als eigentliche Mittel der Entwicklung”(ebd.); “Wiederherstellung lokaler Solidaritätsbeziehungen und Hilfssysteme”(ebd.)

5. stark umweltschädigende reiche Gesellschaften und schwach umweltschädigende arme Gesellschaften mit gleichem Interesse

6. Verbesserung der Stellung der Frauen; “Wandlungen des Weiblichkeits- und Männlichkeitsbegriffs sowie der damit verknüpften Verhaltensmuster”(S.220); eine Zielsetzung die dahinter steht: Verringerung des Bevölkerungswachstums durch “lokale Autoritätszunahme auf seiten der Frauen: ihre Fähigkeit, im Hinblick auf die Fortpflanzung eigene Entscheidungen zu treffen”(ebd.)

7. Vorrangstellung der autonomen Gesundheitsfürsorge, der “informierten Selbstfürsorge”(ebd.)

8. Familienbindungen stützen und zugleich patriarchalische Verhältnisse und Kinderausbeutung bekämpfen

9. das Gewähren von Almosen würde nur Abhängigkeit erzeugen; wenn man formale und inhaltliche Rechte anerkennt, muss man zugleich die damit einhergehenden Pflichen angeben

10. eine lediglich lokale Organisation der alternativen Entwicklung reiche nicht aus; auch die “gewaltigen Bataillone”(S.221) des Staates, der Konzerne und der internationalen Organisationen werden gebraucht; auf lokale Forderungen muss aber Rücksicht genommen werden und lokale Interessen müssten geschützt werden

Meiner Ansicht kann man das alles noch klarer fassen: “sie müssen es schon selber tun”. Das bedeutet zuerst einmal auch für uns, dass wir nicht bei ihnen ansetzen müssen, sondern bei uns. Wir denken auch an unsere eigenen Interessen (Vorteile) und oft dienen unsere hehren Bemühungen um die anderen, ärmeren Kulturen nur zur Kaschierung der eigenen Interessendurchsetzung. Ihre Lebensgrundlagen dürfen nicht angetastet werden (z.B. ihre Küstenstriche nicht überfischt werden). Danach geht es erst darum, sie freizulegen. Dafür bedarf es auch bei uns der Entstehung einer Infrastruktur. Diese muss dann ausgebaut werden in Richtung gegenseitiger Verständigung. Erst zuletzt kann es darum gehen, was sie brauchen und unter welchen Bedingungen geholfen werden “darf”. Denn wir können ihnen das nicht geben, was ihnen gehört: ihre Zukunft.

Außerdem muss unserer Interessendurchsetzung (diesmal von der anderen Seite) Rechnung getragen werden. Es dürfen uns auch keine Nachteile entstehen. Der Unterschied zwischen “Vorteilen” und “keinen Nachteilen” dürfte jedem denkenden Menschen klar sein. Es darf nicht zu Bestandsverlusten kommen.

Im Nationalsozialismus war der Kampfstaat das Primäre und weil der Arbeitsmarkt eher sekundären (diesem dienenden) Charakter besaß und die Liebesart eine noch diesem untergeordnetere Bedeutung besaß, konnten sie ihre eigenen Gesetze noch nicht entfalten. Trotzdem wurde schon dieser Zusammenhang gestiftet und Arbeitsmarkt und Liebesart mussten warten, bis der Kampf beendet war. Jetzt muss dieser Zusammenhang nicht mehr gestiftet werden. Er liegt schon vor uns. Er muss nur entfaltet werden. Wir müssen ihm entsprechen. Die Kampfstaaten in Europa können durch die EU nicht vollends verschwinden, sondern die EU sollte nur ihr Verhandlungsfeld sein. Die Organisation dieses Verhandlungsfeldes könnte dann der Stil des europäischen Prozesses sein. Das Recht muss nicht extra über den Nationen institutionalisiert werden, um allgemeingültig anerkanntes Recht in Europa zu sein.  Die Nachbildung von demokratischen Institutionen auf europäischer Ebene bleibt Schimäre, sofern das nicht anerkannt wird.  Die Aufnahme der slawischen Staaten kann hier Probleme aufwerfen, weil sie nur am Rande zu Europa gehören, kulturell etwas eigenes darstellen. Der einzelne, europäische Kampfstaat befindet sich dann  in dieser Organisation auf unebenem Terrain. Er kann sich jetzt nicht mehr hundertprozentig auf seine Feinde (die anderen europäischen Kampfstaaten) konzentrieren, die seine Freunde sind. Es fehlt die Entsprechung. Es ergibt kein Ganzes, sondern nur etwas Halbes. Wodurch auch die slawischen Kulturen an Möglichkeiten einbüßen, denn sie bringen sich in einem Feld ein, dass ihnen nicht gerecht werden kann. Der Kampfstaat war das Besondere in der Weltkriegsphase, der Arbeitsmarkt das Besondere in der Phase  des kalten Krieges und die Liebesart das Besondere in der Zeit des Faserkrieges. Nun sind sie alle durch sich selbst besonders und ihr Zusammenhang ist ein wahrer. Wir sehen durch sie alle gleichermaßen den Zusammenhang ultrastabil begründet. Durch die Liebesart in der Solidarität und nicht in der Fragmentarität, durch den Arbeitsmarkt in dem Lockeren und nicht in dem Festsitzenden und durch den Kampfstaat in dem Weichen und nicht dem Wunden Aufreißenden.

Wir betrachten aber nicht nur die Makroebene, sondern auch die Meso- und die Mikroebene. Sie hängen bezüglich der Segmentarität (Politik), Funktionalität (Wirtschaft) und der Virtualität(Kultur) ganz unterschiedlich zusammen. Ihr Zusammenhang stellt sich  bei der Segmentarität als ein hierarchischer (das Prinzip des Heils), bei der Funktionalität als ein somarchischer (das Prinzip des Fleisches) und bei der Virtualität als ein pneumarchischer (das Prinzip des Geistes) dar. “Somarchie” meint, dass die drei Märkte nur zusammen ein vollkommenes Marktgleichgewicht bilden können und diesbezüglich gleichwertig ineinander übergehen, miteinander verbunden sind.  Das Prinzip des Fleisches kennt im Unterschied zum Prinzip des Heils  keine Über- und Unterordnung. In der “hierarchischen” Ordnung werden Überordnung und Unterordnung ausgeformt. In der “pneumarchischen” Ordnung gibt es noch nicht einmal die somarchische Gleichwertigkeit, sondern die Dinge befinden sich in der Schwebe. Und die Beziehungen stellt man immer selber her.

Diese Tabelle ermöglicht es uns, mit Hilfe des ideellen Sozialstaates den materiellen Sozialstaat abzuschaffen. Mit dem ideellen Sozialstaat kann die Ausgangsbasis wieder hergestellt werden, die für das natürliche Gleichgewicht erforderlich ist, in der das Volk sich verwirklichem muss. Gleichzeitig muss keinem Immigranten Unrecht angetan werden. Ihr Zuzug war ja staatlich geregelt. Die Tabelle ist universal anwendbar und nicht nur auf die Verhältnisse der BRD. Deshalb dienen diese Erkenntnisse auch den Angehörigen anderer Völker, also per definitionem auch Immigranten. Die Organisation der Verhältnisse der Staaten und Völker kann dadurch auf eine weitere rationale Grundlage gestellt werden. Es geht um nichts weniger als um die Verbindung von Völkerrecht und Staatenrecht.  Bevor wir von einer Völkergemeinschaft sprechen können, müssen wir wissen, was eine Volksgemeinschaft ist, und bevor wir von Gesellschaftsstaaten sprechen können, müssen wir wissen, was ein Gesellschaftsstaat ist. Sowohl die Volksgemeinschaft als auch den Gesellschaftstaat wollen wir durch eine 3×3-Felder-Tabelle beschreiben. Von beiden besteht zur Zeit keine  Begrifflichkeit, die es erlauben würde, sie beide in Beziehung zu setzen. Der Begriff der Volksgemeinschaft wird eher durch Rechte positiv besetzt, der Begriff des Gesellschaftsstaates eher durch Linke. Die positiven und negativen Besetzungen setzen aber jeweils nur an einer rudimentären Begrifflichkeit an.

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Uns interessieren diesbezüglich nicht die linken und rechten Sichtweisen, sondern nur die Wesenheiten und weswegen sie für uns Bedeutung besitzen, wodurch sie “sind”. Das ist zum einen der Bezug innerhalb des Gesellschaftsstaates auf die Lebensformen Kampf, Arbeit und Liebe und zum anderen der Bezug der Volksgemeinschaft auf die Lebenstexte des Volkes, des Wohles und des Loses. Der Bezug auf den Gesellschaftsstaat und die Volksgemeinschaft dürfte aber noch nicht ausreichen, da – wie an mehreren Stellen angedeutet – u.a. auch die Kirche eine Rolle in der Gesellschaft spielt. Es muss also zudem noch bestimmt werden, was eine “Volksgesellschaft” ist und was ein “Genossenschaftsstaat”. Aber auch damit wäre es noch nicht getan, denn wir brauchen auch einen Begriff von der “Volksgenossenschaft” und von dem “Gemeinschaftsstaat”. Zu guter Letzt müssten auch noch die Begriffe “Genossenschaftsgesellschaft”, “Gesellschaftsgemeinschaft” und “Gemeinschaftsgenossenschaft” bestimmt werden. Das wäre es aber dann. Damit wäre die Vollständigkeit erreicht. Wem also die hier geschilderte Theorie lückenhaft vorkommt, der hat insoweit Recht. Dazu müsste ich dann aber ein Buch schreiben. Was das mittelfistig Erreichbare angeht, dazu können uns die Begriffe vom “Gesellschaftsstaat” und von der “Volksgemeinschaft” schon einiges sagen. Nur leider ist der Begriff  der Mittelfristigkeit ein sehr relativer, wenn man nicht weiß, an welche “Kurzfristigkeit” und “Langfristigkeit” er anstößt. Sowas kann sich sehr schnell verschieben.

Unser Ansatzpunkt betrifft zuerst den Zusammenhang zwischen sozialer Solidarität und der Ethik. In dem Text “Die Weltgesellschaft und die Weltgesellschaften” (siehe “Forschung”/”Ethik der Weltgesellschaft”) beschreibe ich die Ethiken der anderen Weltgesellschaften in einer formalen und abstrakten Weise. Daraus sollte ersichtlich werden, dass die Ethik der Muslime vor alllem eine  Fairness-Ethik darstellt und die Ethik der Juden eine Wettbewerbs-Ethik ist sowie die Ethik der USA eine “pursuit of happiness”-Ethik.

Das Ideal des Sozialstaates: der Gesellschaftsstaat

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Wir müssen sehen, wie diese Ethiken mit der im Kampfstaat, im Arbeitsmarkt und in der Liebesart versinnbildlichten und ausgedrückten sozialen Solidarität zusammenhängen. Eine Fairness-Ethik reicht nicht aus, dem im Arbeitsmarkt ausgedrückten “Füreinandertun” einer anderen Kultur gerecht zu werden, es zu begründen. Es bedeutet dagegen, dass diese Kultur eine andere Ordnung zulassen müsste. Damit steht aber eine Gesellschaft gleich einer anderen gegenüber. Es geht hier also nicht um Kompetenz und den Wert der Leistungserstellung, sondern deren Betrachtung ist jener der sozialen Solidarität nachgestellt, die also nicht nur den Abnehmer der Leistung betrifft. Der Arbeitsmarkt ist auf die sich unterscheidenden und herausbildenden Fähigkeiten eines jeden angewiesen, die nicht nur durch “Qualifizierung” hervorgebracht werden können. Das bedeutet keine Geringachtung der Leistungen oder Motivationen von Muslimen. Im Gegenteil sind die ernsthaften Bemühungen  von Muslimen hervorzuheben, die in einer geordneten Gemeinschaft leben wollen. Es betrifft nur ihre für sich genommen vollkommen legitime Herangehensweise, der dann Rechnung getragen werden muss, wenn die fremde Kultur, in der sie sich befinden,  sich nicht bezüglich eines der Gründe ihres Zusammenlebens im Gleichgewicht befindet, und die Verschiedenheit der Menschen ihrer Kultur mit der Verschiedenheit der Menschen der Kulturen ins Verhältnis setzen muss, die auf Transferzahlungen angewiesen sind. Der Sozialstaat hält Reparaturmechanismen bereit, die nicht einfach ausgelagert werden können. Gerade das Immunsystem kann niemals Selbstzweck sein. Krebs wäre die Folge, inkl. der Verachtung jener, für die es ausgelagert worden ist. Die Reaktionsmöglichkeiten müssen vermehrt und nicht verringert werden. Wenn der Fall eintritt, dass der Arbeitsmarkt nicht funktioniert, kann es nicht die Aufgabe des Kampfstaates sein, die eigene Ordnung einer fremden zu opfern. Der Zusammenhang zwischen Kampfstaat, Arbeitsmarkt und Liebesart wird also bei diesem Fall aufgebrochen und stattdessen entsteht ein Zirkel zwischen Kampfstaat, Arbeitsmarkt und dem Ämterstaat. Es wird also eine Verbindung mit einer Entität auf einer niedrigeren Größenmaßstabsebene hergestellt. Durch diesen Zirkel wird die begrenzte Zuständigkeit, die Fairness des Sozialstaates ausgedrückt. Mehr als diese Fairness dürfen Muslime nicht verlangen. Es wäre sogar gegen den Islam. Es würde ihrenallgemeinen Nutzen vermindern und tut es bereits. Sie müssen und sollen nur sehen, was in ihren Kulturen noch für Möglichkeiten verborgen sind. Dazu bedarf es keiner supplementären Errichtung von Kernkraftwerken oder gar dem Bau von Atombomben. Diese Supplementarität könnte auch für sie selbst gefährlich werden (nicht nur aufgrund von äußeren Feinden).

Eine Wettbewerbs-Ethik wiederum reicht nicht aus, dem in der Liebesart ausgedrückten “Füreinandersein” einer anderen Kultur gerecht zu werden, es zu begründen. Es bedeutet, dass auch hier von dieser eine andere Ordnung zugelassen werden müsste. Auch hier würde dann eine Gesellschaft einer anderen gegenüberstehen. Wenn die Liebesart nicht “virtuiert” (die Tugenden, von denen sie selbst lebt, aufrechterhält), ist es nicht am Arbeitsmarkt, dieses wieder zurechtzurücken. Auch das endokrinologische System stellt keinen Selbstzweck dar. So würde nur das langfristige Glück dem kurzfristigen geopfert werden. Es wird in der Tabelle wieder diagonal-rückwärts – aber dieses Mal bis zur Mikroebene – zurückgegangen: bis zum Befugnis-Staat. Auch damit wird die Zuständigkeit des Sozialstaates begrenzt. Die Stationen des Zirkels sind Kampfstaat – Arbeitsmarkt – Liebesart – Gütermarkt – Befugnisstaat – Ämterstaat ( – Kampfstaat etc.).

In meiner Theorie gehören nun aber u.a. China und Afrika zu der Weltgesellschaft, zu der auch Europa mit Deutschland gehört. Ist für sie nun der Sozialstaat voll zuständig? In der Tat ergeben sich zwischen den Kulturen der einen Weltgesellschaft und den anderen Weltgesellschaften sonderbare Koalitionen. Europa fühlt sich mehr zu den USA hingezogen, Afrika mehr zum Islam und  – was aufgrund der Diaspora nicht ganz so augescheinlich ist – u.a. China und Indien mehr zum Judentum. Es zeigt sich nun, dass die Zuständigkeit des Sozialstaates für Afrikaner in der Tabelle ebenfalls drei Felder umfasst und jene für u.a. Chinesen und Vietnamesen ebenfalls sechs Felder. Genausoviele wie für Moslems(drei) bzw. für Juden(sechs). Nun liegen diese Felder bezüglich Afrikanern und Chinesen aber in einer Reihe und es findet kein Abbruch in der Reihe statt. Das heißt, es geht hier nicht nur um das Eintreten des Falles des Nichtfunktionierens des Arbeitsmarktes und des Nichtvirtuierens der Liebesart, sondern um die kulturelle Verschiedenheit überhaupt. Hier kommunizieren nicht Weltgesellschaften miteinander. Der Islam und das Judentum verstehen sich selbst als Weltgesellschaften und deshalb findet der Kontakt schon automatisch auf der Makroebene statt – um dann auf niedrigeren Ebenen fortgesetzt zu werden. Dieses ist aber bezüglich der anderen Kulturen der Weltgesellschaft nicht nötig. Denn der Kontakt zu der afrikanischen Kultur findet erst auf der Mikroebene an und der zu der chinesischen Kultur erst auf der Mesoebene. Man muss also keine Größenebene heruntergehen und kann es auch überhaupt nicht . Man muss dieses allerdings in der Gesetzgebungspraxis berücksichtigen. Das stellt eine elementare Notwendigkeit dar.

Der Gesellschaftsstaat bezüglich der islamischen Kultur

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Der Gesellschaftsstaat bezüglich der jüdischen Kultur

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Wenn dieses bezüglich der afrikanischen Kultur nicht geschieht, geht die ganze Ebenendifferenzierung bezüglich der Größenmaßstabsebenen verloren. Es würde nur noch die Mikroebene übrig bleiben. Wenn es bezüglich der chinesischen Kultur nicht geschieht, würde die halbe Ebenendifferenzierung verloren gehen. Es würden nur die Mesoebene und die Mikroebene übrigbleiben.  Es geht hier um essentielle Geschichten und das Judentum und der Islam klären uns immer ganz aktuell darüber auf, dass es diese Ebenendifferenzierung auch gibt und ihr Rechnung getragen werden muss. Was sehr unbequem sein kann, denn die Autonomie könnte sich als Lüge offenbaren. Wenn es aber bezüglich der afrikanischen und chinesischen Kultur berücksichtigt werden würde, können für sie gerade höhere Ebenen erschlossen werden – wieder was das Gesamtbild anbelangt diagonal (nun von links nach rechts), aber eigentlich jeweils nur vertikal inkremental von unten nach oben ohne die Entstehung eines Zirkels.  Es ist also wiederum im Interesse der anderen Kulturen – diesmal der afrikanischen und der chinesischen. Wie man von höheren auf niedrigere Ebenen oder von niedrigeren auf höhere Ebenen gelangt (vertikal), zeigt das Schema. Es muss hier also ein noch  radikalerer Schnitt zur bestehenden Ordnung vorgenommen werden als dieses bezüglich des Judentums und des Islams notwendig ist. Gerade weil sich dadurch innerhalb unserer Kultur (der Kultur der Weltgesellschaft) noch mehr Möglichkeiten realisieren lassen. Ein Zirkel entsteht in Bezug auf die afrikanische Kultur in dem, was  sie in europäischen Gesellschaften nicht erreichen kann und das ist der Zirkel, den wir in Beziehung zum Islam schon kennen. Dieser Zirkel muss aber jetzt entgegen des Uhrzeigersinnes gelesen werden, also: Kampfstaat – Ämterstaat – Arbeitsmarkt – Kampfstaat (etc.). Bezüglich der chinesischen Kultur gibt es auch einen Zirkel: dieser betrifft aber nur den Kampfstaat und seine Selbstreferentialität. In den folgenden Tabelle sind die Möglichkeiten des Gesellschaftsstaates bezüglich der chinesischen Kultur dargestellt. Man erkennt die Zuständigkeiten des Sozialstaates (6 Felder), die Möglichkeiten, die sich ergeben könnten (2 Felder) und das, was unangetastet bleiben muss ( der Kampfstaat).


Der Gesellschaftsstaat bezüglich der chinesischen Kultur

In der nächsten Tabelle finden sich die Bezüge des Gesellschaftsstaates zur afrikanischen Kultur, seine Zuständigkeit (3 Felder), die möglichen Möglichkeiten ( 2 Felder + 1 Feld) und das Nichterreichbare (3 Felder). Die darauf folgenden Tabellen zeigen die Zuständigkeiten des Gesellschaftsstaates bezüglich der islamischen (3 Felder) und der jüdischen Kultur (6 Felder). Es ist darauf hinzuweisen, dass die Zuständigkeit des Gesellschaftsstaates an sich keinen Wert besitzt. Wenn der Gesellschaftsstaat für die jüdische Kultur “zuständiger” ist als für die islamische  Kultur, dann stellt dieses keine Wertaussage dar. Man muss sich auch immer fragen, von was man ein Teil sein möchte. Es sind hiermit auch immer Verantwortungen verbunden.

Der Gesellschaftsstaat bezüglich der afrikanischen Kultur

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Bevor ich mein Projekt “Jenseits von Rechts und Links” näher beschreibe, soll hier noch durch den  Rückgriff auf den “Achsenkreis” (siehe “Forschung”/”Achsenkreis”) die Essenz, die sich hinter “Rechts” und “Links” verbirgt, erläutert werden. Zuerst einmal muss festgestellt werden, dass der Gegensatz, den Giddens aufbaut, nicht ganz korrekt ist. Der Gegensatz vom Konservatismus ist nicht der Sozialismus, sondern der Innovatismus. Die Innovation steht der Konservation gegenüber und beides sind rationale Grundhaltungen. Durch die Innovation wird die Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft gelockert und durch die Konservation wird sie gefestigt. Die Gegenwart ist hier also immer die Leerstelle. Keineswegs ist die Konservation mehr auf die Vergangenheit und die Innovation mehr auf die Zukunft gerichtet. Es ist nur ein anderes Zutun des Menschen vonnöten. Der Hintergrund von beiden ist das “Voranschreiten”. Bei der Erneuerung wird die Vergangenheit dabei variant und die Zukunft konstant gehalten, bei der Bewahrung ist es umgekehrt. Wenn Konservation und Innovation aufeinanderprallen, entsteht “Rechts” und “Links”. In jeder Nation gab es dafür bestimmte historische Momente. Rechts und Links grenzen sich durch das ab, was man in den Vordergrund und in den Hintergrund schiebt. Sie entstehen also erst durch die Differenz “Vordergrund”/”Hintergrund”. Bei den Linken steht die Innovation im Vordergrund und die Konservation im  Hintergrund. Bei den Rechten ist es umgekehrt. Die Unterscheidung von Rechts und Links kann man durch meinen Achsenkreis besonders deutlich machen. Der politische Komplex der Gesellschaft ensteht in der segmentären Phase der Soziogenese durch die These “Aktivität” und durch die Antithese “Passivität”. Die Grenzen der Aktivität in meinem Achsenkreis zum Erkenntnisgegenstand der “Gesellschaft” sind zur Kunst hin die “Schönheit” und zum Recht hin die “Freiheit”. Die Einheit der linken Unterscheidungshandhabung “Innovation im Vordergrund/Konservation im Hintergrund” nimmt die Freiheit als Richtziel, die Einheit der rechten Unterscheidungshandhabung “Konservation im Vordergrund/Innovation im Hintergrund” die Schönheit. Sich hier zu entscheiden, dürfte unter ethischen Gesichtspunkten schwer fallen. Im Achsenkreis ist die Freiheit nicht ohne die Schönheit denkbar und sie kehrt zu ihr zurück. Wir müssen also über die Unterscheidung Rechts und Links hinausgehen. Hier wird auch nicht nur ein politisches Problem angesprochen, sondern das Gleiche gilt für die Grenzen Wahrheit/Reinheit und Gleichheit/Klarheit (der theoretisch schwierigste Fall) ebenso. Die Kulturen der Weltgesellschaft haben sich in ihrer Weltaneignung spezialisiert. Europa hat sich auf die Politik spezialisiert und deshalb kann von Europa am ehesten die Überwindung der Unterscheidung Links/Rechts erwartet werden, weil sie hier virulent wird. Bezüglich der chinesischen Kultur dürfte eine andere Unterscheidung virulent werden und zu ihrer Überwindung nötigen, die wir in Europa unter dem Titel “Marktschließung(Protektionismus)”/ “Marktöffnung” kennen. Wir können Links auch im Prinzip mit “Staatsöffnung” und Rechts mit “Staatsschließung” übersetzen, müssten diese Begriffe aber noch näher erläutern, wozu mir hier der Platz fehlt.

Die weltkulturellen Überwindungszusammenhänge

Uns reicht die Unterscheidung Rechts/Links aber noch nicht aus. Dieser Gegensatz ist für sich genommen zu “krass”. Rechts und Links stehen bei ihrem Zustandekommen schon in einer Beziehung zueinander. Sie führen ihre Entstehungsbedingungen mit sich mit. Es gibt nicht Rechte und Linke, sondern schon Rechtsintime und Rechtsextreme sowie Linksintime und Linksextreme. Die Intimität bedeutet, dass der Unterschied zwischen den Lagern nicht groß ist. Für die Links- und Rechtsintimen gibt es Berührungszonen zwischen Rechts und Links. Für die Links- und Rechtsextremen ist das nicht der Fall. Geläufig wird nicht  von Intimität als Eigenschaft in diesem Zusammenhang gesprochen, sondern von Mitte-Links oder Mitte-Rechts bzw. vom linken Rand des rechten Lagers oder vom rechten Rand des linken Lagers – was im Grunde etwas ungenau ist, denn damit setzt man schon die Intimität voraus, ohne sie zu benennen, obwohl man nur vom Unterschied Rechts und Links ausgeht. Die Mitte meint ja gerade die Berührungszone zwischen Rechts und Links. Aber es wird so getan, als ob  die Mitte eine eigenständige Alternative gegenüber Rechts und Links wäre. So als ob die Unterscheidung ihre Nicht-Unterscheidung mit sich  führen würde. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Mitte ist ein Mittelding  aus Stillstand und der Unterscheidung Rechts/Links. Sie stellt also eine Position dar, die zweckmäßig in relativ gleichbleibenden Verhältnissen eingenommen werden kann. Bei dem zweiten Begriffspaar wird die Unterscheidung Rechts/Links noch einmal in sich hineinkopiert. Das ist aber ebenso inkonsequent. Denn man tut so, als ob Rechts und Links  spektrumsmäßig abgeschlossene Lager wären – unter Zuhilfenahme der Unterscheidung, wodurch sie bezeichnet werden. Wir wollen schrittweise und genauer vorgehen. Deshalb beginnen wir bei dem Gegensatz Extremität und Intimität, der also ebenso zu überwinden ist wie der Gegensatz von Rechts und Links. Wir wollen diesen vier Begriffen nun auf den Grund gehen und die Unterscheidung auflösen. Was können die Begriffe bedeuten, wenn wir sie für sich betrachten. Weshalb trifft man also die Wahl Rechts oder Links? Wir müssen auf die vorausgehende Unterscheidung zwischen Vordergrund/Hintergrund zurückgehen.Wenn die Konservation im Hintergrund und die Innovation im Vordergrund liegt und wir Hintergrund und Vordergrund im “Grund” zusammenbringen, dann bedeutet das, dass für den eigenen Schutz haltungsmäßig gesorgt ist und dass eine bestimmte Empfänglich- und Empfindlichkeit für das aktuelle Geschehen vorhanden ist. Wir kippen die Unterscheidung Rechts/Links zur linken Seite hin, indem wir sie auf ihren Kernbezug reduzieren: auf die Schwäche.

Durch das Zusammenbringen des rechten Vordergrundes und Hintergrundes im  “Grund” wird der Kernbezug der rechten Seite freigelegt: die Stärke. Für den Schutz muss gesorgt werden, weil man sich dem Neuen sowieso nicht in den Weg stellen kann. Damit es zum Eigenen werden kann, muss es sich aber erst einmal bewähren – in den Umständen, denen man einen Schutz angedeihen lässt. Hierdurch werden die “Wahlverwandtschaften” offenbar: die Linken ziehen ihre Legitimation aus dem Schutz für die Schwachen und die Rechten ihre Legitimation aus der Förderung der Starken. Nicht weil sie selber schwach oder stark wären, sondern weil sie in der Stärke und der Schwäche einen schützenswürdigen- bzw. förderungsbedürftigen Wert erblicken.

Wir müssen das Gleiche mit den Begriffen Extremität und Intimität auch machen. Welche Unterscheidung liegt ihrer Konstruktion zugrunde? Diese Unterscheidung kennen wir begrifflich eigentlich nur durch ihre eine Seite des “Untergrundes”. Meist als verwendeter Begriff in linken Szenen. Diese Unterscheidung “Übergrund”/”Untergrund” müssen wir ebenfalls im “Grund” zusammenbringen. Was liegt bei den Extremen und Intimen im Vordergund und im Hintergrund? Bei den Extremen liegt sicherlich der Bruch mit der bestehenden Ordnung im Vordergrund, bei den Intimen die Zufriedenheit mit bzw. die Geborgenheit in der bestehenden Ordnung. Viele Extremisten kommen aus eher bürgerlichen Verhältnissen und haben ihre extremen Positionen in Verhältnissen entwickelt, die für relative Geborgenheit gesorgt hatten. Extremismus geht kaum ohne eine Avantgarde. Diese kann ihre  ausdifferenzierten Weltbilder aber nicht entwickeln, ohne die bestehenden (als herrschende abzulösenden) aufzuarbeiten. Das setzt ein Mindestmaß an Geborgenheit voraus, der in der bestehenden Ordnung genossen wird. Diejenigen, die der Avantgarde folgen, sind meist wirkliche Kinder ihrer Verhältnisse. Sie können sich kaum von ihren Verhältnissen distanzieren, wie es der Avantgarde möglich erscheint. Sie suchen die Geborgenheit, die die Avantgardisten in der bestehenden Ordnung genossen, in der neuen Ordnung. Dieses scheint aber eher bezüglich des Linksextremismus zuzutreffen. Bei dem Rechtsextremismus ist es fast umgekehrt und die untypischen Fälle scheinen die interessanten zu sein. Wir kommen hier also mit der Unterscheidung Vordergrund/Hintergrund nicht voran, sondern müssen gerade umgekehrt anfangen. Bei der Vordergrund/Hintergrund-Unterscheidung gibt es im Grunde keine allgemeine Rangfolge der Positionierung bezüglich Konservation und Innovation. Sie sollen sich jeweils gegenseitig zur Geltung bringen. Es geht um Durchdringung und relative Sichtbarkeit. Bei der Unterscheidung Übergrund/Untergrund geht es um die absolute Sichtbarkeit und nicht um die Durchdringung, denn man würde sich immer nur weiter dem Kern nähern, sondern nur um das Weiter-Vordringen. Bei den Extremen findet die Innovation im Übergrund statt und die Konservation im Untergrund und bei den Intimen die Innovation im Untergrund und die Konservation im Übergrund. Wenn wir die Unterscheidung überwinden wollen, müssen wir sie wieder zu beiden Seiten hin kippen. Der Kernbezug der Extremen ist die Weite, denn ohne sie gibt es weder eine Konservation im Untergrund noch eine Innovation im Übergrund. Das trifft sowohl für Rechts- als auch für Linksextreme zu. Die Weite ist das, was man übersehen und durchschreiten kann. Man kann sich in sie hineinimaginieren, weil man viele Punkte “zusammensehen” (links) oder auch “auseinandersehen”  (rechts) kann. Man gibt diesen Punkten so “Fremdheit” (links) oder  “Eigenheit” (rechts) und indem man sie damit ausstattet, entwickelt man eine Verbundenheit zu ihnen – innerhalb oder außerhalb des Geschehens. Das ist die Voraussetzung für die Innovation im Übergrund. Durch die Weite kann die Innovation im Übergrund stattfinden, denn dort steht ihr nichts entgegen. Der Wind findet die freie Fläche, die Blitze finden zielsicherer ihr Ziel. Die Innovation im Übergrund “manifestiert” sich in Aktionen und  durch ein “Sich-Zeigen”. Man will die Veränderungen direkt sehen. Die Anbahnungen fanden schon statt. Mit der Aktion wird die Gründung der Bewegung  noch einmal vollzogen. Die Programme sorgen für die Kontinuität. Ohne Weite gibt es auch keine Konservation im Untergrund. Wenn man sich in der Weite befindet oder sie vor sich hat, geht man nur seinen Weg, schaut in die Ferne und hat nur den Himmel über sich. Die Bewahrung geht ohne das eigene Zutun vonstatten, gerade weil man sich nicht um sie kümmert. Sonst wäre man im Untergrund nicht überlebensfähig. Das impliziert klare Ausschlussmethoden, schwierige Einschlussmethoden und Prioritäten bei der Ressourcenbeschaffung. Die Aufrechterhaltung der Infrastruktur wird im Untergrund immer vakant gehalten. Wenn zuviele von der gleichen Sachen wüßten, wäre die Geheimhaltung nicht gewährleistet. Die Extremisten können sich nicht ganz der Wirklichkeit entziehen. Es besteht jedoch ein bezeichnender Unterschied zwischen ihrem und dem normalen “Alltag”. Bewahrung ist hier eine Sache von “wir gegen die”  und diese ist schon geregelt bzw. wird nur anhand des Gegebenen hinterfragt. Wenn man sich um sie kümmert, kann das schon als Anzeichen der Krise bewertet werden.

Die Enge ist mit der Konservation im Übergrund und mit der Innovation im Untergrund verbunden. Die Verbindungen, die man in der Enge herstellt, sind bei den Rechtsintimen selbstgewählte und bei den Linksintimen nicht-selbstgewählte. Man sieht nicht in die Weite, sondern nur etwas vor sich und die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt.   Die Gesamtheit ist nicht aus Punkten zusammengesetzt, sondern die Punkte sind aus Gesamtheiten zusammengesetzt. Die Linksintimen statten diese Gesamtheiten mit ihrem “Selbst” aus, die Rechtsintimen mit ihrer “Welt”. Die Innovation findet bei beiden im Untergrund statt, weil man sich nicht direkt um sie kümmert. Weil Rechts und Links sich bei ihnen berühren, sind Verwerfungen der eigenen Positionen etwas Normales und werden der Wirklichkeit zugeschrieben.  Der Kernbezug der Intimen ist die Enge. Mit ihr haben wir die Ähnlichkeit von Links- und Rechtsintimen abgesteckt.

Ohne Weite gibt es auch keine Konservation im Untergrund. Wenn man sich in der Weite befindet oder sie vor sich hat, geht man seinen Weg, den man sich – in die Ferne schauend – ausersieht und hat nur den Himmel über sich. Die Bewahrung geht ohne das eigene Zutun vonstatten, gerade weil man sich nicht um sie kümmert. Sonst wäre man im Untergrund nicht überlebensfähig. Das impliziert einfache Ausschlussmethoden, schwierige Einschlussmethoden und Prioritäten bei der Ressourcenbeschaffung. Die Aufrechterhaltung der Infrastruktur wird im Untergrund immer vakant gehalten. Wenn zuviele von der gleichen Sache wüßten, wäre die Geheimhaltung nicht gewährleistet. Jeder ist ersetzbar. Und es muss auch das Darniederliegen der Bewegung für eine unbestimmte Zeit im Notfall akzeptiert werden. Die Extremisten können sich nicht ganz der Wirklichkeit entziehen. Es besteht jedoch ein bezeichnender Unterschied zwischen ihrem und dem normalen “Alltag”. Bewahrung ist hier eine Sache von “wir gegen die”  und diese ist schon geregelt bzw. wird nur anhand des Gegebenen hinterfragt. Wenn man sich um sie kümmert, kann das schon als Anzeichen der Krise bewertet werden.

Die Enge ist die Voraussetzung der Konservation im Übergrund und der Innovation im Untergrund. Die Verbindungen, die man in der Enge herstellt, sind bei den Rechtsintimen nicht-selbstgewählte und bei den Linksintimen selbstgewählte. Man sieht nicht in die Weite, sondern nur etwas vor sich und die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt.   Die Gesamtheit ist nicht aus Punkten zusammengesetzt, sondern die Punkte sind aus Gesamtheiten zusammengesetzt. Die Linksintimen statten diese Gesamtheiten mit ihrem “Selbst” aus, die Rechtsintimen mit ihrer “Welt”. Die Innovation findet bei beiden im Untergrund statt, weil man sich nicht direkt um sie kümmert. Weil Rechts und Links sich bei ihnen berühren, sind Verwerfungen der eigenen Positionen etwas Normales und werden der Wirklichkeit zugeschrieben. Der Luhmannsche Term “Noise”ist eine Metapher für das Geschehen im Wirklichkeitsuntergrund und gehört in diesen Themenbereich. Luhmann legte Wert auf Genauigkeit bei der Beschreibung der Beziehungen von Intimen. Die Konservation findet bei den Intimen im Übergrund statt. Ihre Welt ist niemals ganz. Sie sind auf Unterstützung in elementaren Bereichen angewiesen. Sie beziehen andere in die Definition ihres sozialen Seins mit ein. Es entsteht erst durch das Zusammensein mit den anderen. Die Interaktionen werden also nicht durch die Intimen selber “rangiert”, sondern die soziale Identität der Intimen ist diese Hierachie ihrer Interaktionen und wird also solche wahrgenommen.  Daraus resultiert eine gewisse Stabilität, aber gerade keine Ultrastabilität. Es sind gerade die “Ränder”, die diese Stabilität interessant machen, sie mit Ungewissheit aufladen und die Intimen ihres Wirklichkeitbezuges nicht verlustig gehen lassen. Der Kernbezug der Intimen ist die Enge. Mit ihr haben wir die Ähnlichkeit von Links- und Rechtsintimen abgesteckt.

Wir müssen nun sehen, wie die politischen Positionierungen, die aus den Unterscheidungen Rechts/Links und Intim/Extrem resultieren, auf die Wirklichkeit des politischen Systems bezogen sind. Wenn wir jeweils an der Unterscheidung Staat/Volk ansetzen, können wir dies bestimmen. Die Intimen können uns anscheinend etwas darüber sagen, was passiert, wenn der Staat als etwas Abstraktes und das Volk als etwas Konkretes sich umwandeln (wenn sie einander fern bleiben) oder sich in sich ( in einander) umwandeln, wenn sie miteinander in Berührung kommen. Die Intimen können uns über dieses Inbeziehungtreten aufklären, gerade weil sie sich auf dem Boden der bestehenden Ordnung “wähnen”. Die Extremen dagegen, die es auf sie “abgesehen” haben, können uns über die Entitäten “Staat” und “Volk” aufklären – über ihre allgemeine Beziehung . Was sie jeweils für sich und an sich sind. Es wird also von dem Geschehen, das sie gemeinsam verbindet (in der Ferne oder in der Nähe), abstrahiert. Es würde für sie nichts ändern, gerade weil es auf “Bewahrung” und “Erneuerung” zielt.

Wir könnten den Intimen und den Extremen diese Aufklärungsmacht “zuschreiben” – wider besseren Wissens, um zu sehen, wie sie über sich selber hinausführt. Das kann ich in dieser Kritik natürlich nur in begrenztem Umfange leisten. Gerade weil eine historische Unterfütterung und beispielhafte Erläuterungen dann der diesen Richtungen immanenten Kontrafaktizität Leben verleihen müssten. Wir wollen stattdessen einen systematischen Ansatzpunkt – wie oben schon angedeutet – bei Hegels Unterscheidungsmacht nehmen. Wir bringen allerdings nicht das An-Sich-Sein und das Für-Sich-Sein im An-Und-Für-Sich-Sein zusammen (zumindest nicht in ihm als Endprodukt), sondern  dieses stellt das Mittelglied zwischen An-Sich-Sein und Für-Sich-Sein dar. Wir sprechen auch nicht wie Marx von Klasse-an-sich und Klasse-für-sich, sondern von Staat-an-sich/an-und-für-sich/für-sich und Volk-an-sich/an-und für-sich/für-sich, wobei Staat und Volk jeweils aufeinander bezogen sind. Dass Marx auf den Klassenbegriff rekurriert, erscheint in diesem Zusammenhang aber nicht ungewöhnlich. Den Klassenbegriff kennzeichnet aber von vornherein die Verbindung von An-Sich-Sein und Für-Sich-Sein, und zwar in den drei Formen: entweder-an-sich-oder-für-sich(exklusive Disjunktivität), an-oder-für-sich(inklusive Disjunktivität) und an-und-für-sich(Konjunktivität). Die Klasse gibt es eben nicht an-sich oder für-sich, sondern sie ist das An-und-Für-Sich-Sein etc.,  weil dies nicht der Fall ist. Zwei wichtige Aspekte kommen nämlich hinzu: die  Rasse und die Masse. Zwei Begriffe, für die Marx kein kompetenter Autor ist. Nach meiner Theorie der ethischen Disjunktion zwischen Komplexität und Simplexität kommt es in der Ethik auf die Unterscheidung zwischen Vervollständigung und Erhaltung an. Wir können dadurch den Zusammenhang von Rasse, Klasse und Masse eindeutig definieren: die Rasse ist hier die Unterscheidung, die Klasse die Erhaltung und die Masse die Vervollständigung. Rassismus gibt es nur, wenn man glaubt, sie für sich betrachten zu können, wenn der Unterscheidung der Zusammenhang fehlt, auf den sie sich bezieht.. Wenn sich “Anti-Rassisten” auf den Rasse-Begriff beziehen, wissen sie oft gar nicht, was sie tun. Sind sie Phantome? Wir können An-sich-Sein auch mit konjunktivem Sein und  Für-Sich-Sein mit disjunktivem Sein übersetzen. Wir bewegen uns so  ungefähr auf dem gleichen Abstraktionsniveau wie Hegel. Das An-und-Für-Sich-Sein wäre dann die “Konjunktivität” von beiden.

Das An-Sich-Sein ist aber nur die Vorderseite des konjunktiven Seins. Die Rückseite wird auch noch behandelt werden. Die Konjunktivität des konjunktiven und disjunktiven Seins gehört auch nicht in die Reihe, in der es um den Staat und das Volk als Entitäten geht. Hier gehört das Entweder-An-Sich-Oder-Für-Sich-Sein hin, ihre exklusive Disjunktivität. An-Sich-Sein und Für-Sich-Sein sind letztlich nur Begriffe, mit denen wir nicht nur die allgemeine Beziehung von Entitäten beschreiben können, sondern auch das Aufeinanderbezogensein des Geschehens im Staate und im Volke. Hier sind das An-Sich-Sein und das Für-Sich-Sein des Staates und des Volkes nicht das Ursprüngliche, mit dem das Individuum konfrontiert ist, wenn es sie auslegt, sondern es ist das durch die Beziehung zwischen Staat und Volk schon Gewordene:  das An-Sich-Sein des Volkes für den Staat und das An-Sich-Sein des Staates für das Volk, wenn die Volksvertretung gewählt werden soll (“Nähe”). Der zugrundeliegende Zusammenhang war der von  Rasse, Klasse und Masse. Diesem Zusammenhang liegt aber die Unterscheidung zwischen Geschlecht und Bewusstsein zugrunde. Rasse, Klasse und Masse sind die unreinen Formen dieser Unterscheidung, ihre “Kinder”. Die Unterscheidung ist in den Bestandteilen dieses Zusammenhanges noch nicht selbständig geworden. Sie taucht noch in ihnen auf. Im “Masse”-Begriff umschließt das Geschlecht das Bewusstsein, im ”Rasse”-Begriff ist es umgekehrt. Im ”Klasse”- Begriff existiert eine quasi-symmetrische (oszillative) Beziehung zwischen ihnen. Die Unterscheidung Geschlecht/Bewusstsein muss ihre Kinder in die Mitte nehmen.. Das Geschlecht nimmt die Rasse an die Hand, das Bewusstsein die Masse und zwischen Masse und Rasse geht die Klasse. In der Grafik “die ethische Gesellschafts-Familie” ist dieses dargestellt. Dabei ist es egal, ob der Vater oder die Mutter für das Bewusstsein bzw. das Geschlecht steht, ein Junge oder ein Mädchen für die Masse, die Klasse oder die Rasse.

Die Rückseite des konjunktiven Seins kann durch den Begriff des Wider-Sich-Seins ausgedrückt werden. Die Rasse kann durch die beiden konjunktiven Seins-Aspekte An-Sich-Sein (Vorderseite) und Wider-Sich-Sein(Rückseite) in den obigen Zusammenhang eingeordnet werden. Durch das Wider-Sich-Sein kann auch das Phänomen des “Anti-Rassismus” erklärt werden, wodurch dessen paradoxer Charakter offenbar wird. Das Wider-Sich-Sein ist aber nichts Negatives. Insgesamt können wir das alles wieder als Einheit in einer 3×3-Felder-Tabelle darstellen.

Der genetische Hintergrund der politischen Systematizität

Nun kann man sich fragen:  wenn es in der Ethik darauf ankommt, zwischen Erhaltung und Vervollständigung zu unterscheiden, wie unterscheidet man dann zwischen Unterscheidung, Erhaltung und Vervollständigung – zwischen allen dreien? Kann  überhaupt eine Instanz der Unterscheidung benannt werden, die uns diese Unterscheidung (und dann auch die Ethik?) abnimmt und wenn, unter welchen Bedingungen könnte dieses möglich sein? Die Bedingung hierfür kann nur sein, dass  bereits ein Maß vorhanden ist und dieses kann für die Ethik nur aus der Logik stammen. Wir finden es in der logischen Konjunktion. Die paradigmatische logische Konjunktion ist jene zwischen Geschlecht und Bewußtsein, weil diese Unterscheidung selbsterklärend ist. Die logische Konjunktion ist nicht im Allgemeinen das Maß der Ethik. Das ist die Simplexität. Aber jene ist das Maß für die logischen Unterscheidungen innerhalb der Ethik. Das, was diese Unterscheidung unterscheidet, sind wieder Unterscheidungen und zwar zwischen Unterscheidung, Erhaltung und Vervollständigung, wobei die Vervollständigung gerade das Aufeinanderbezogensein von Unterscheidung und Erhaltung ist.  Die Ethik wird uns also dadurch nicht abgenommen, wenn Geschlecht und Bewusstsein Kategorien sind, denen wir angehören, bezüglich des Geschlechts zu einer ihrer Seiten (wobei wir jedoch alle Seiten direkt beeinflussen können) und bezüglich des Bewusstseins zu allen ihren Seiten (wobei wir jedoch nur eine Seite direkt beeinflussen können). Auf die Einfachheit der Logik folgt die Schwierigkeit der Ethik, denn es wird uns jetzt bewusst, dass diese Kategorien mit der Vervollständigung etwas enthalten, dem wir nicht direkt angehören, sondern nur über unsere Zuordnung zu dem “anderen Geschlecht” bzw. zu dem “gleichen Bewusstsein”. Es muss also noch eine Bedingung hinzukommen und diese muss aus dem gleichen Aufbau von Logik, Ethik und Erotik resultieren. Es  sind im Grunde drei Bedingungen. Immer muss etwas erst einmal werden, damit es “ist”, Wesen besitzt, und wenn es ein Wesen besitzt, kann dieses in sich selber eingreifen, von innen und von außen (Wehen). Unsere drei Bedingungen resultieren aus diesem gleichen Aufbau von Logik, Ethik und Erotik. In der Logik bedeuten sie (aus ethischer “Welt”-Perspektive) “Selbst” (Werden), “Leben” (Wesen) und “Zeit” (Wehen). Wir können durch sie den Unterschied zwischen Logik und Ethik begreifen, was wem vorangeht. Bestimmte Reihenfolgen sind schon in der Logik und der Ethik unterschiedlich, fast gegensätzlich. Der Zeitrahmen für das, was Gemeinschaft (Selbst) ist, ist immer größer(Leben) als jener(Z) für das, was Gesellschaft (S) ist und dieser(Z) ist größer(L) als jener(Z) für das, was Genossenschaft(S) ist. Die Kommunogenese muss also früher als die Soziogenese beginnen und diese muss früher als die Sodaligenese beginnen, wenn sie zur gleichen Zeit enden “sollen” und sie “müssen” gemeinsam enden, wenn die Logik in der Ethik münden soll. In dieser sieht es aber dann fast spiegelbildlich aus. Jetzt umfasst die Gemeinschaft  die Gesellschaft und diese die Genossenschaft nicht mehr zur Zukunft hin, sondern zur Vergangenheit hin. Was die Ziele angeht, war in der Logik in den Gemeinschaften durch die Gesellschaften und in diesen durch die Genossenschaften schon ein gemeinsamer Fluchtpunkt vorhanden, der aber nun verloren gegangen ist –  weil er  nun in der Vergangenheit liegt. In der Ethik ist es also notwendig, dass dieses Enthaltensein institutionell deutlich gemacht werden muss. Die Grenzen an den Übergängen, wenn das Genossenschaftliche vor dem Gesellschaftllichen endet, weil es schneller ist, und wenn das Gesellschaftliche vor dem Gemeinschaftlichen endet, weil es schneller ist, müssen bewacht werden, durch uns, durch Institutionen, die wir schaffen müssen. Dass Tradition nicht mehr ausreicht, wird dadurch klar. Die Weitergabe reicht nicht mehr aus. Es braucht auch den Weitergebenden und den Entgegennehmenden, der zuerst der Weitergebende  ist. Die Zeitverhältnisse zwischen Gemeinschaft,Gesellschaft und Genossenschaft sind schon durch die Mathese vorgeben. So war die Genese durch die Poiese auf die Mathese bezogen. Fixiert wurden sie in der Soziogenese der Phylogenese. Wir messen die Zeit und könnten so dem Ablauf unserer Tätigkeiten Regelmäßigkeit verleihen. Der Mensch ist in der Genese und er ist diese Genese, ihr Wissen. Aber der Mensch ist auch die Poiese, ihr Geld. Er ist Mensch durch seine Sprachbegabtheit. Und er ist auch Mathese, ihre Macht. Er kann auch rechnen, sogar die Schöpfung für sich rechnen lassen. Sie spricht ihn an. Das Problem bei der Grafik der “ethischen Gesellschafts-Familie” ist, dass sie stimmt. Wir können zwar einen eurozentrischen Ansatz vermeiden, aber nicht einen genozentrischen und einen sensozentrischen. Man muss es schon sein. Mein Begriff von der “ethischen Gemeinschafts-Familie” ist kein von mir durchdrungener. Ich kann ihn zwar angeben, mein Verständnis reicht aber nicht in das Innere des Zusammenhangs hinein, der vom Weib und der Gemeinschaft in die Mitte genommen wird. Da es hier aber nicht um eine durch die Umstände induzierte einseitige Sichtweise der Welt geht, sondern um eine zweiseitige , sind die Begriffe geno- und sensozentrisch nicht korrekt, sondern man müsste von “Genolateralität” und “Sensolateralität” sprechen.Wenn ich in der “Ethik der Weltgesellschaft(II)” schrieb, dass die Bewegung bei der ethischen Disjunktion zwischen Komplexität und Simplexität  immer von der Komplexität zur Simplexität geht, dann stimmt es  z.B. für das europäische Patriarchat und Matriarchat jeweils für sich. Aber es gibt die Disjunktion überhaupt erst, weil es auch eine Bewegung von der Simplexität zur Komplexität gibt (aber nur innerhalb der Bewegung von der Komplexität zur Simplexität). Das ist dann aber keine lediglich patriarchalische oder matriarchalische Bewegung mehr, sondern man muss sie hierfür mindestens zusammen betrachten.

Die ethische Gesellschafts-Familie

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Diesseits von Links und Rechts (eine 3×3-Felder-Tabelle entsteht dadurch, dass man noch eine MEDIUS-Spalte sowie eine STRACKS-Zeile, also eine Kreuzstruktur dazwischenfügt)

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Die Notwendigkeit der Diesseitigkeit 

Die untere Tabelle zeigt die diachrone Gesamtordnung des politischen Systems des Profusionismus. In den vier Eckfeldern finden sich die oben schon aufgeführten Orte des politischen Systems: das Oben und Unten des Heranbildens, das Ferne der Ethik und das Nahe des ontischen Körpers. Dazwischen sind nun aber Felder einer Kreuzstruktur dazwischengefügt, wodurch der gesamte politische Prozess deutlich wird. Ich will die innere Systematik dieses Prozesses durch zwei Beispiele erläutern, die durch ihre Reinheit diese besonders anschaulich machen können. Politik war und ist immer dann bedeutsam, wenn sie auf einmal alle angeht. In der Vergangenheit war das oft dann der Fall, wenn man für den Staat ins Feld ziehen musste. Im Kriege offenbarte die Politik ihren absoluten Charakter. Wir wollen uns das Individuum ansehen, wie es in den Krieg verwickelt ist. Es muss in die Schlacht ziehen, um den politischen Raum ganz zu durchmessen. Die Tabelle ist zeilenweise zu lesen. In der ersten Zeile stoßen wir auf den Gegensatz zwischen Oben und Unten. Oben ist das Individuum, das durch den Kampf noch nicht unmittelbar betroffen ist, ihn noch erwartet und noch in der Lage ist, sich darauf vorzubereiten, Strategien und Taktiken zu entwickeln. Es hat die entscheidenden Situationen noch vor sich und rüstet sich in Ruhe auf sie zu. Das zweite Feld beinhaltet dann die erste Bewegung: “vor”. Man geht zu den Stellungen, von denen man aus in Richtung Feind vorrückt. Man sieht seine Mitkämpfer nun zum ersten Mal und die Zeit der Vorausplanung ist vorbei. Wenn jetzt an Sachen oder Wissen ein Mangel herrscht, sind sie bzw. ist es nicht mehr so schnell zu besorgen. Nach dieser nicht wieder rückgängig zu machenden Bewegung Richtung Kampfgeschehen findet man sich unter den Kämpfern wieder, die warten, dass es los geht. Nach der Bewegung “vor” ist man noch nicht vorne angekommen, sondern “unten”. Hier verbinden sich die Leidenschaften der Kämpfer in Vorahnung des Kampfgeschehens. Es sind Momente der gegenseitigen, lauten oder stillschweigenden “Mobilisierung”. Die Stimmung ist gespannt. Jetzt sind alle gleich: vom Befehlshaber zum Infanteristen. Es geht in der zweiten Zeile weiter: nun befindet man sich “vorne”. Man ist in das Kampfgeschehen verwickelt. Die Kampfentscheidung, in der sich das Blatt entweder zur Sieges- oder zur Niederlage-Seite wendet, steht bevor. Vorne ist man direkt beteiligt. Es geht hin und her und alles gleichzeitig. Man hat keine Wahl und handelt immer direkt. Man ist auf seine Instinkte, Fähigkeiten und Stärken angewiesen. Danach kommt es zu den entscheidenden Momenten, in denen nicht mehr entscheidbar ist, ob man sich “diesseits” oder “jenseits” befindet. Die Situation ist in der Schwebe. Jetzt fällt die Entscheidung über Sieg und Niederlage. Enweder man setzt den entscheidenden Hieb oder man findet sich auf der Verliererseite wieder. Danach ist man entweder “hinten” in den Feindeslinien und macht den Sieg endgültig perfekt oder man ist zurückgerückt und findet sich wieder an vorherigen Positionen, die so gesehen hinter den Positionen liegen, die man schon eingenommen hatte. Wenn der Sieger den Sieg schon eingefahren hat, könnte er den Feind auch endgültig vernichten. Die ungeschützten Siedlungen liegen zur Verheerung bereit. Man guckt in erschreckende Kinderaugen. Weiber bringen sich in Sicherheit. Mütter fliehen mit ihren Kindern. Greise erwarten den Gnadenhieb. Man befindet sich in der “Nähe”. Hier kann man keinen Sieg mehr einfahren. Die endgültige Vernichtung des Feindes ist unnötig. Wenn man dagegen auf der Verlierer-Seite ist, das Schlachtfeld verheert, die Truppen in Auflösung, beginnt die Selbsterkenntnis in Momenten des Neuanfangs. Allein befindet man sich auch in der “Nähe”, der Sieg muss ein späterer sein. Von diesem Moment an kann alles anders sein und wird es. Danach geht es sowohl für den Verlierer als auch den Sieger “zurück”. Der Verlierer muss sich neu orientieren, der Sieger kann auf seinen Taten aufbauen. Der Verlierer kehrt nur dahin zurück, wo er herkam. Der Sieger betritt, wenn er in sein Land zurückkehrt, ein neues Land. Zum Schluss befinden sich beide in der Ferne und das Kampfgeschehen existiert nur noch in der Erinnerung, die in Erzählungen aufbewahrt wird. In meiner Narzissmus-Theorie (vgl. Sozio-Ontologie(II)/Narzissmus(II) ) ist der Solipsismus der Punkt, an dem sich der Narzissmus in sich vollendet. Er ist auch “der” Punkt der Linksextremität. Im Profusionismus ist er dagegen lediglich der Anfang. Und wenn – in einer Stadionrunde – ein Linksextremer am Start steht, wo gleichzeitig auch durch das Ziel gelaufen wird, dann kann er nur diejenigen im Publikum täuschen, die gerade erst dazu gekommen sind. Wer will das Aschenputtel spielen, das diejenigen, die es noch ernst meinen, von denen trennt, denen die Gewaltdrohung durch das Kollektiv , dem sie angehören, nützt, ihre von Haus aus nicht verallgemeinerbaren Ansprüche durchzusetzen.

Das zweite Beispiel ist noch abstrakter. In der Rubrik Tendenz (vgl. Zeitgeschehen/Tendenz) wählte ich die Metapher des Gefäßes, das eine Flüssigkeit enthält, zur Illustrierung des Zusammenhangs der politischen Richtungen und endete mit der Feststellung, dass die einzige mit der Ethik vereinbare politische Richtung der Profusionismus ist: “Das Ausgießen ist das Ausgießen”. Dieses Ausgießen folgt der gleichen Reihenfolgenlogik wie die Schlacht. Die Flüssigkeit ist also schon im Gefäß und es befindet sich auf Handhöhe. Wir schauen herunter auf es und seinen Inhalt. Wir befinden uns “oben”. Dann gehen wir “vor”. Wir ergreifen das Gefäß. Das, was uns dann  interessiert, ist die Flüssigkeit “unten” im Gefäß, deren Gewicht wir spüren. Wir beginnen sie auszugießen und sie stürzt “vorne” über die Tülle herunter. Beim Herausgießen ist das “Diesseits/Jenseits” des Gefäßes nicht unterscheidbar. Wir neigen das Gefäß immer mehr, damit der letzte Tropfen “hinten” nach vorne, heraus fließt. Danach befindet sich die Flüssigkeit in der “Nähe”, wo sie gebraucht wird. Diesen Nutzen können wir seinem Wesen nach nur erahnen. Wir halten lediglich das leere Gefäß in den Händen. Wir stellen es “zurück”. Danach befindet es sich in der “Ferne”. In der Ferne fand die Nutzenrealisierung statt und wird sie wieder stattfinden. Das Gefäß ist schon wieder (virtuell) gefüllt.

Die diachrone Gesamtordnung des politischen Systems des Profusionismus

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Beide Beispiele sowie die Reihenfolgenlogik allgemein können wir auch mit dem Inhalt der Tabelle “Schneepolittchen und die neun Schluss-Zwerge” beschreiben. Man kann sich das am abstrakteren Beispiel leicht verdeutlichen, wenn man bedenkt, dass unserer Gefäß zwei Öffnungen hat. Eine, durch die die Flüssigkeit hineingekommen ist und eine, durch die wir sie ausgießen. Auch das kriegerische Beispiel können wir damit verdeutlichen, wenn man bedenkt, dass es dabei um die Rolle des Einzelnen geht. Aber wir wollten ja auf ein Konzept für ein politisches System hinaus, dass wir aus der Perspektive “jenseits von links und rechts” entwerfen. Was bedeuten also unsere vier Orte und die dazwischenliegende Kreuzstruktur im Zusammenhang des gesamten politischen Prozesses? Wir wollen dies aus der Perspektive des Individuums  betrachten. Es beginnt mit dem “Aufschluss”. Der politische Prozess wird also vom Individuum aufgeschlossen. Das, was konkret politisch geschieht, erhält für es eine bestimmte Bedeutung. Es bildet sich eine Meinung und kann Stellung beziehen. Nun stellen sich Beziehungen her zu anderen mit ähnlichen oder unterschiedlichen Meinungen. Diejenigen mit ähnlichen Meinungen verstetigen ihre Kontakte und wer mit ähnlicher Meinung hinzukommt, der “schließt sich an”. Danach gibt es diese Aggregationen, in denen sich diejenigen mit einer bestimmten Haltung, Meinung oder Einstellung treffen und der Einzelne ist in dieser Aggregation “eingeschlossen”. Das heißt, es bleibt ihm keine andere Wahl, als mit diesen hier seinen Weg zu finden. Man muss also wissen, dass diese “Inklusion” selbstbestimmt ist. In einer anderen Verwendung wirkt der Term “Inklusion” etwas unglücklich. Mit ihm wird sonst so etwas  wie die “(sozial-)organisationale Mitberücksichtigung” gemeint, dass man ein mehr oder minder gleichberechtigter Teil von etwas ist. “Einschluss” bedeutet aber auch das “nicht mehr herauskommen”. Das will ich durch meinen “Inklusions”-Begriff betonen. In dieser “Weite”-Zeile war alles noch möglich. An ihrem Ende hat man sich positioniert, seine Position festgelegt. In der nächsten Zeile geht es um den “Stoff”. Also das, weshalb man sich so positioniert hat, worüber man seine Meinung gebildet hat. “Verschluss” bedeutet, dass der Zusammenschluss aufgrund eines Zweckes geschah, nach dem sich er ausrichtet. Es geht um das Inhaltliche selber. Nicht um den Zusammenhang, aus dem man kommt, sondern direkt um den Zusammenhang, weswegen dem man sich zusammenschloss. Zu diesem muss jetzt aktual verbindlich eine Position abgegeben werden, die nicht mehr abstrakt ist, sondern konkret. Nun wird man sichtbar, die Unterschiede zu den anderen, die aufgrund anderer Einstellungen zusammengefunden haben. Man muss sich also zu etwas “entschließen” und ein “Beschluss” muss hierzu gefasst werden. Damit wäre das “Stoffliche” behandelt.  In der nächsten Zeile “Enge” kommt es dann zur “Entscheidung über die Entscheidung”. “Auschluss” bedeutet (dem Luhmannschen Term “Selektion” ähnlich), dass die Entscheidung für das eine gleichzeitig die Entscheidung gegen alles andere ist. Wenn man sich nur für eine Sache entscheiden könnte. Wenn sich ein Kollektiv auf einen Weg zu einem Ziel mit einem Verfahren festlegt, kommt es zu einem Ausschluss von Angeboten, die es ebenfalls zu einem Thema gab, und ihren Anbietern. “Abschluss” bedeutet, dass  das Nichtausgeschlossene auch das sein wird, was durch die Nichtausgeschlossenen durchgesetzt werden wird. Die anderen können ein anderes Mal einen neuen Anlauf starten. Die Institutionen müssen ihre Stärke zeigen. Danach wird der Prozess “zugeschlossen”. Somit stellt dieser Prozess eine Einheit dar.

Schneepolittchen und die neun Schluss-Zwerge

Das Ideal der Volkskommune: die Volksgemeinschaft
Die Volksgemeinschaft bezüglich der islamischen Kultur

Die Volksgemeinschaft bezüglich der jüdischen Kultur

Die Volksgemeinschaft bezüglich der afrikanischen Kultur

Die Volksgemeinschaft bezüglich der chinesischen Kultur